Sonntag, 7. Juni 2020

Corona: Rede bei einer Demonstration am 7. Juni in Miltenberg



Nicht nur in der Untermainhalle vor dem Kreistag erkläre ich die Anforderungen und Zumutungen in der Corona-Krise, sondern auch vor den Bürgerinnen und Bürgern bei einer Demonstration am 7. Juni 2020 in Miltenberg


Regelmäßig wöchentlich finden in Miltenberg Demonstrationen, in der Regel "Für bedingungslose Grundrechte und eine freie Impfentscheidung" mit 100 bis 150 Menschen statt. Für Sonntag, den 7. Juni, habe ich eine Einladung erhalten. Da in einer Demokratie der Austausch das A & O ist, habe ich diese Einladung angenommen, um den Menschen zu Beginn der Demonstration meine Einschätzung zur Lage der Freiheitsrechte in der Corona-Krise darzulegen.


Hier veröffentliche ich nun mein geplantes Redemanuskript, Grundlage meiner Rede am Sonntag, 7. Juni, um 16 Uhr am Alten Bahnhof.

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,

auch ich begrüße Sie heute Nachmittag in Miltenberg. Ich danke für die Einladung zu dieser Demonstration, welche ich angenommen habe, da es wichtig ist, dass wir alle miteinander (trotz Abstand) im Kontakt, im Austausch, im Dialog bleiben. Danke auch für die Redezeit!


Erst am Freitagabend habe ich auf dem dt-frz. TV-Kanal arte die Dokumentation „Wackersdorf“ gesehen. Eine sehr empfehlenswerte Dokumentation, denn sie hat mir wieder verdeutlicht: Unsere Demokratie, das Wohl der Bürgerinnen und Bürger, muss immer wieder ausgefochten werden, im einem friedlichen Dialog, dafür braucht es engagierte Bürgerinnen und Bürger, im Volk, in politischer Verantwortung und in Uniform – ein herzlicher Gruß natürlich auch an die Beamt*innen der bayerischen Polizei!
Die Freiheit und die Freizügigkeit sind höchste Güter unsers Lebens und unserer Gesellschaft, geschützt im jüngst 70 Jahre alt gewordenen Grundgesetz – und wir stehen auch auf dem Boden der Mainzer Republik, der ältesten Republik auf deutschen Boden überhaupt, sie hat ihre Wurzeln im Jahr 1793, einer der großen Freiheitskämpfer stammte aus Obernburg.
Auch deshalb mache ich bewusst:


Die Einschränkungen, auch hinsichtlich unserer Freiheitsrechte, durch die Maßnahmen, die zur Eindämmung des Corona-Virus Sars-Cov-2 ergriffen wurden, sind einzigartig für die Geschichte des freiheitlich-demokratischen Deutschlands und sie sind eine Zumutung. Eine Zumutung für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung und für jeden einzelnen von uns.

Entscheidend für jeden von uns ist die persönliche Perspektive: Mit der schönste Moment in dieser Woche – neben vielen guten Gesprächen – war die Nachricht, dass mein Junge nächste Woche endlich wieder zum Fußballtraining gehen darf. Es mag banal klingen, aber es sind die kleinen Dinge, an denen wir die Zumutung spüren:


  • Kinder und Jugendliche, die Freunde nicht sehen können/konnten
  • Behinderte Menschen, die nicht zu ihrem Arbeitsplatz in der Werkstätte gehen dürfen/durften
  • Musiker*innen, die nicht in Gemeinschaft musizieren können/konnten
  • Alte Menschen, die nur eingeschränkt besucht werden können/konnten
  • Gewerbetreibende, die nicht oder nur eingeschränkt ihrem Gewerbe nachgehen können/konnten
Sie kennen diese Beispiele, die Sie bedrücken und die Ihnen Angst machen, so wie anderen Menschen das Virus Angst macht.


Dieses Bewusstsein von der Bedeutung unserer Freiheit und der Grundrechte für unser Leben, die Angst vor dem Verlust, lässt Sie heute hier demonstrieren.
Einsatz für unsere Demokratie, für unsere Werte, für unsere Freiheit ist gut. Denn die Freiheitsrechte leben davon, dass sie mit Leben erfüllt werden. Freiheitsrechte brauchen engagierte Menschen.


Drei Anmerkungen hierzu:
  1. In der intensiven Phase des Lock-Downs haben fast alle Menschen in Deutschland nicht nur diszipliniert, sondern auch bewusst auf die Ausübung dieser Freiheitsrechte verzichtet. Das ist ein einzigartiges Beispiel von gemeinsamer Verantwortung, für das ich dankbar bin! Was wir aus dieser Krise lernen können, ist die Begrenztheit der Vereinzelung – wir brauchen in der Gesellschaft das Miteinander, wir müssen uns aufeinander verlassen können!
  2. Freiheit muss geschützt werden. In Anbetracht der Bedrohung durch diesen erst in Teilen erforschten Virus war und ist die politische Motivation der Entscheidungsträger in München und Berlin – auch wenn wir in vielen Beispielen fragwürdige Einzelentscheidungen nennen könnten und über diese auch streiten müssen – ist die politische Motivation davon geprägt, die Menschen und damit unsere Freiheit zu schützen. In die Kategorie „Schwachsinn“, bitte sehen Sie mir eine persönliche Einschätzung nach, in die Kategorie „Schwachsinn“ gehören Unterstellungen wie die gezielte Abschaffung der Demokratie und der Freiheit durch eine Verschwörung im Bundeskanzleramt oder in der Bayerischen Staatskanzlei. Das ist keine Theorie mehr, das ist Schwachsinn, und zwar gefährlicher Schwachsinn, denn unsere Demokratie wird seit Jahren stark bedroht: Die Gefährder unserer Demokratie sitzen aber nicht im Bundeskanzleramt oder in der Staatskanzlei, die Gefährder unserer Demokratie sitzen am rechten Rand unserer Gesellschaft, sowohl politisch rechtsextrem als auch gewaltbereit, und diese Kräfte versuchen auch die berechtigte Diskussion rund um die Corona-Krise für sich zu vereinnahmen. Bleiben wir gemeinsam wachsam vor den wahren Gefährdern unserer Demokratie, denn:
  3. Freiheit bedeutet Verantwortung: Diese Verantwortung bedeutet, im rechten Moment kurzfristig auf ein Freiheitsrecht verzichten zu können, um dieses langfristig zu schützen. Diese Verantwortung bedeutet, Freiheitsrechte zu schützen und diese nur soweit einzuschränken, wie dies gerechtfertigt ist. Deshalb sind wir jetzt in der entscheidenden Phase, und das bewegt sie ja besonders, die möglichst rasche, verantwortungsvolle Rückkehr zu einer „Art Normalität“.


Wesen einer freiheitlichen Demokratie ist es, dass über diesen Weg in einem offenen, in einem respektvollen, sachlichen Dialog gestritten, ja ich sage bewusst, gestritten wird, und wir unterschiedliche Meinungen akzeptieren.

Zu diesem Beitrag am heutigen Nachmittag wünsche ich Ihnen deshalb viel Erfolg, denn Sie nutzen heute das wertvolle Demonstrationsrecht. Auch diese Krise hat erfahrbar gemacht, dass das Demonstrationsrecht eines der bestgeschützten Rechte überhaupt ist.

Sie demonstrieren heute für „bedingungslose Grundrechte und eine freie Impfentscheidungen“. Dazu meine letzten drei persönlichen Einschätzungen:


  1. Bedingungslos hat es unsere Grundrechte, wie sie das Grundgesetzt von 1949 definiert, nie geben, das ist nicht der Wesen unseres Grundgesetzes, denn unsere Grundrechte sind miteinander verschränkt und finden stets dort ihre Grenze, wo das Wohl des einzelnen oder das Wohl der Gesamtheit der Menschen betroffen ist. Grundrechte stehen immer in einem Spannungsfeld, so wie nun extrem in dieser, ich sagte es eingangs, historischen Ausnahmesituation der deutschen Nachkriegsgeschichte. Auch deshalb: Bedingungslos und Freiheit des einzeln, das schließt sich gegenseitig aus, weil Freiheit auch immer den Schutz des einzelnen beinhaltet.
  2. Zu Ihrer Forderung nach einer freien Impfentscheidung. Hierzu kann ich, da ich es nicht zu entscheiden habe, dies obliegt dem Bundestag, nur meine Einschätzung mitteilen: Eine Impflicht für einen möglichen Impfstoff für Sars-CoV-2 ist meiner persönlichen Einschätzung nach weder politisch noch rechtlich umsetzbar.
  3. Nehmen Sie heute Ihr grundrechtlich geschütztes Demonstrationsrecht bitte verantwortungsvoll wahr und beachten Sie die Hinweise sowohl der Ordnungskräfte als auch der Polizeikräfte, besonders bitte das A & O des Infektionsschutzes, den Abstand.

Vielen Dank, dass Sie mir aufmerksam und geduldig zugehört haben!



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