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Kongress Kommunal. Digital im November 2019 in Würzburg. |
Key-Note zur
Digitalisierung aus kommunaler Sicht
Wir leben derzeit in einer schwierigen, anspruchsvollen
Phase unserer Gesellschaft, denn unsere Zeit ist geprägt davon, dass die
Mehrheit der Menschen für die Zukunft sowohl persönlich als auch global
betrachtet Schlechteres als gegenwärtig zu erleben befürchtet.
Mit Ursache
für diesen verbreiteten Zukunftspessimismus sind verschiedene parallel
verlaufende Entwicklungen, die diese Negativ-Erwartung fördern:
· die Globalisierung,
· die Digitalisierung,
· die Klimakatastrophe, sind drei
prägende, dramatische, einschneidende Veränderungsprozesse.
Fachleute
vergleichen die digitale Revolution unserer Lebens- und Arbeitswelt mit der
industriellen Revolution im 19. Jahrhundert. Vergegenwärtigen wir uns die
umwälzenden, dramatischen Veränderungen im vorletzten Jahrhundert für das Leben
eines jeden einzelnen Menschen, können wir zum einen die Sorgen der Menschen
verstehen, zum anderen uns aber auch bewusstmachen, dass die Digitalisierung
nicht ein Geschehen ist, das wir im Vorübergehen abhandeln.
Trotz oder
auch gerade wegen der steigenden Vorbehalte gegen Politik im Allgemeinen und
ihre Prozesse in einer demokratischen und freien Gesellschaft, kommt der
Politik die besondere Verantwortung zu, Sicherheit und Zuversicht zu
vermitteln. Dies gelingt im Besonderen dadurch, dass Politik zeigt, dass die
Veränderungsprozesse bewusst und gezielt gestaltet werden.
Dies gilt im
Besonderen für den Prozess der Digitalisierung, der im Erleben durch den
einzelnen Menschen alles bietet von Zukunftsoptimismus – alles wird besser und
leichter J - bis zum Gefühl, erdrückt und fremdbestimmt zu werden.
Politik muss zeigen, dass sie diesen Veränderungsprozess nicht nur beherrscht,
sondern auch aktiv gestaltet, beeinflusst im Sinne des Menschen.
Ein hoher
Anspruch, erleben die Menschen doch gerade eher, dass Politik großen
Veränderungsprozessen in diesem Jahrzehnt, von der Globalisierung mit scheinbar
unbeherrschbaren Märkten bis zur Klimakatstrophe eher handlungsunfähig
gegenübersteht. Gerade wegen der aktuellen Vertrauenskrise bietet damit der
Prozess der Digitalisierung sogar die Chance
für die Politik, Handlungsfähigkeit, also Gestaltungskraft zu beweisen, und
zwar von
· der europäischen Ebene mit dem noch
zu setzenden Regelungsrahmen für die Digitalisierung auf europäisch über
· die Bundes- und Landesebene allen
aktuellen Problemen mit schwarzen Löchern und weißen Flecken zum Trotz bis zur
· kommunalen Ebene, weil wir am Ende in
den Landkreisen und Gemeinden am nächsten zu den Menschen sind und gerade die
Umsetzung der Verwaltung 4.0 zu verantworten haben.
Der
Kommunalpolitik kommt damit – auch wenn sie die äußeren Rahmen-bedingungen
dieser Entwicklung nicht beeinflussen kann – eine besondere Möglichkeit zu, die
Lücke zwischen dem Veränderungsprozess an sich und dem Erleben durch den
Menschen zu schließen.
Aus Sicht
der kommunalen Gebietskörperschaften möchte ich dies an unserem Kerngeschäft, der
Verwaltung, konkretisieren. Damit dürfen wir aber nicht vergessen, dass
Bürgermeister und Landräte sich nicht wegducken dürfen bei allen anderen Fragen
der Digitalisierung, denn das weiß jede Bürgermeisterin, jeder Bürgermeister,
zuständig sind wir für alles:
· so für die Diskussion der möglichen
Gesundheitsrisiken von Mobilfunkmasten oder WLAN in Gemeinden und Schulen mit
dem Bedürfnis der Versachlichung und Kriterien für den wissenschaftlichen
Diskurs,
· oder für Aspekte der Digitalisierung
in der Pflege und im Gesundheitswesen, deren Möglichkeiten ebenso wie deren
Risiken; hier heißt es eben für uns als kommunal Verantwortliche nicht nur auf
das Passieren zu warten, sondern die Akteure, die in Zukunft besser vernetzt
werden können, wie z.B. Krankenhaus, niedergelassene Ärzt*innen und
Pflegeeinrichtungen an einen Tisch zu holen.
· Dies gilt ebenso für die Auswirkungen
auf unsere Unternehmen und Betriebe. Am Bayerischen Untermain haben wir hier
zum einem im Rahmen der von Landkreis und Stadt Aschaffenburg sowie Landkreis
Miltenberg verantworteten Regionalinitiative Bayerischer Untermain Projekte
aufgestellt und umgesetzt:
o
Förderung
der Vernetzung der Unternehmen im Prozess der Digitalisierung in unserem
Innovations- und Kompetenzzentrum ZENTEC
o
Schaffung
einer Plattform namens Innovationskommission Digitalisierung mit den 3
Gebietskörperschaften, den Kammern, Unternehmen, Agentur für Arbeit, TH bis
Berufsschulen sowie – ganz wichtig – die Gewerkschaften!
o
Hieraus
entstand, um ein konkretes Beispiel zu nennen, die Schaffung einer
„Bildungsinitiatorin“, die aktiv auf Betriebe und Unternehmen zugeht und
Impulse und Unterstützung leisten wird bei der Weiterqualifizierung der
Fachkräfte.
Das bedeutet
zunächst, dass neben den Kernaufgaben einer Verwaltung die Digitalisierung
viele neue Aufgaben für die Kommunalpolitik definiert. So können wir im
Landkreis Miltenberg eben nicht tatenlos zuschauen, wie wir in Anbetracht von
fast 50% Anteil der fast 44.000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze
ein „hohes Substituierungspotential“ wegen der Digitalisierung aufweisen.
Bereits hier
sehen wir, welche Herausforderung die Digitalisierung der Lebens- und
Arbeitswelt bedeutet, und erst jetzt komme ich – ohne bisher etwas zum Bereich
der Bildung gesagt zu haben – zu unserem Kerngeschäft
Verwaltung:
„Nicht die Bürgerinnen oder Bürger
sollen laufen, sondern ihre Daten.“
So
umschreiben führende Landes- und Bundespolitiker gerne die Digitalisierung der
Verwaltung. Verpflichtet werden Gemeinden, Städte und Landkreise durch das Onlinezugangsgesetz
dazu, alle Verwaltungsdienstleistungen bis Ende 2022 auch digital anzubieten,
bequem, sicher und medienbruchfrei. Der bayerische Weg ist per se noch
ambitionierter, er sieht in enger Kooperation mit dem Bayerischen Landkreistag
das Angebot von mindestens 21 wichtigen Behördengängen digital vor. Für
Investitionen hierfür gibt es ein Förderprogramm.
Trotz der
ambitionierten Ziele plädiere ich für ein überlegtes, gut durchdachtes und wie
bisher gut abgestimmtes Vorgehen, denn das Thema ist sehr komplex. Wer meint,
er muss unbedingt als erster im Hauruck-Verfahren durchs Ziel gehen, wird
merken, dass dabei schnell viel Geld verbrannt wird, wenn jeder einzelne das
Rad neu erfinden will. Gemeinsam heißt die Lösung.
Auch weil es
am Ende praktikabel sein soll, denn die Menschen erwarten gerade bei den
Genehmigungsverfahren Lösungen auf einer Plattform. Jeder, der bundesweit ÖPNV
nutzt, weiß, was ich meine angesichts der unbegrenzten Vielfalt an
Mobilitäts-Apps. Irgendwo, und zwar spätestens auf der Benutzer-Oberfläche
eines mobilen Endgerätes, hat die Vielfalt ihre Grenzen. Und hier kann ich ja
sogar noch nachvollziehen, ob ich in München oder in Nürnberg, im MVV oder im
VAB bin, aber spätestens bei digitalen Genehmigungsverfahren interessiert den
Bürger*in nicht mehr, ist dafür jetzt Gemeinde oder Landkreis oder welche
Behörde auch immer zuständig.
Deshalb ist
es in Bayern der richtige Weg, zum einen die 21 wichtigsten Verwaltungsgänge
und zum anderen das enorm komplexe digitale Baugenehmigungsverfahren in enger
Kooperation mit dem Bayerischen Landkreistag bzw. dessen Innovationsring, der
vor über 20 Jahren in Miltenberg gegründet wurde, gemeinsam zu digitalisieren.
An ersterem Projekt arbeitet der Landkreis Aschaffenburg mit, am Projekt des
digitalen Baugenehmigungsverfahren unser Landkreis Miltenberg.
Gerade
unsere Arbeit am digitalen Baugenehmigungsverfahren zeigt, dass Digitalisierung
nicht die digitale Abbildung eines bekannten analogen Verfahrens bedeutet,
sondern dass tatsächlich der gesamte Prozess neu durchdacht und strukturiert
werden muss. Zudem ist die Voraussetzung wirklicher Sinnhaftigkeit der
digitalen Anträge, dass der gesamte Prozess in der Verwaltung medienbruchfrei,
also digital geschieht. Das heißt, DokumentenManagementSystem, eRechnung, eAkte
usw.
Hier setzen
wir, d.h. der Landkreis Miltenberg und auch ich persönlich, zum einen auf die
enge und gute Arbeit im Innovationsring des Bayerischen Landkreistags und auf
unseren kommunalen Dienstleister, die AKDB (die Anstalt für Kommunale
Datenverarbeitung in Bayern).
Was ist notwendig, dass die digitalen
Behördengänge gelingen werden?
· Voraussetzungen in den Behörden für
den digitalen Workflow; neben den internen Voraussetzungen wie
DokumentenManagementSystem, eRechnung und eAkte sowie einer modernisierten
Homepage (derzeit im Projekt) brauchen wir hier auch einheitliche
Qualitätsstandards für die Schnittstellen zwischen unterschiedlichen
Software-Lösungen.
· Voraussetzungen für den digitalen
Austausch zwischen den Behörden.
· Erleichterung der digitalen
Authentifizierung – hier bin ich gespannt, ob dem digitalen Personalausweis
doch noch mit einer erleichterten Anwendung über AusweisApp2 der Durchbruch
gelingt.
· Schließung der „schwarzen Löcher“ und
„weißen Flecken“ in der digitalen Versorgung, damit alle Bürgerinnen und Bürger
auf die Lösungen ab Ende 2020 zurückgreifen können.
Bevor wir
uns jetzt aber gleich den handwerklichen und technischen Fragen zuwenden,
möchte ich nochmal den Blick aufs Große und Ganze werfen:
Was erwarten die Menschen von uns?
Ein Blick
auf die Menschen (Studie Digital Government Barometer 2018“):
· 67% der Bundesbürger*innen haben
Sorge, dass bei Online-Behördengängen während der Eingabe Dritte auf ihre
persönlichen Daten zugreifen können.
· 60% befürchten, dass die Daten für
andere Zwecke als ursprünglich gedacht genutzt werden.
· 57% der Bürger*innen vertrauen
darauf, dass Behörden alle Möglichkeiten ausschöpfen, um Daten ausreichend vor
unbefugtem Zugriff zu schützen.
· 35% haben latent Zweifel an den
Sicherheitsvorkehrungen.
· 58% der Bürger*innen haben die Sorge,
dass bei der Einführung der digitalen Verwaltung die Beratungsqualität im
analogen, also echten Kontakt nachlässt.
Was bedeutet das für uns? Fünf Thesen
stelle ich auf:
· Verwaltung muss in Zukunft digital
& analog anbieten – der menschliche Zugang, das Vertrauen in die Person aus
Fleisch und Blut bleibt unersetzlich!
· Beim Thema Sicherheit &
Datenschutz dürfen wir uns keine Nachlässigkeiten erlauben! Der Staat muss hier
für Verlässlichkeit und Vertrauen stehen.
· Da hier die Anforderungen sehr hoch
sind, brauchen wir nicht nur die Unterstützung durch eine insgesamt sehr gute
Sicherheitsinfrastruktur bayern-, bundes- und europaweit, sondern in der
Umsetzung auch die Zusammenarbeit vor Ort: Im Landkreis Miltenberg kooperieren
Landkreis und Gemeinden sowohl bei der Umsetzung des Datenschutzes oder bei der
digitalen Ausstattung der Schulen als auch perspektivisch bei der
IT-Sicherheit.
· Die kommunalen Verwaltungen bleiben
das „Gesicht“ des Staates für unsere Bürger*innen. Die digitalen Angebote sind
Grundlage dafür, dass wir für unsere Bürger*innen die Zeit haben für eine
individuelle Beratung.
· Wir brauchen die Grundlagen für eine
medienbruchfreie Kommunikation zwischen den Behörden und einheitliche Standards
für Schnittstellen unterschiedlicher Software-Lösungen anstelle zentralistisch
einheitlicher Angebote.
Ich freue
mich, wenn wir ergänzend zu bestehenden Angebote wie der Online-Kfz-Zulassung
ab Winter 2020 wichtige Verwaltungsvorgänge komplett digital anbieten zu
können.
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Warm anziehen nur wegen des Wetters, die Digitalisierung gehen wir optimistisch und tatkräftig an! |