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Festveranstaltung des Landkreises Miltenberg zu 70 Jahre Grundgesetz |
Während Großbritannien ganz ohne Verfassung auskommt, hat unser Nachbar Frankreich bereits mehrere Verfassungen seit 1789 verabschiedet. Die Bundesrepublik feiert dieser Tage 70 Jahre Grundgesetz – eine freiheitlich-demokratische Verfassung, die vor dem Hintergrund zweier Weltkriege und des Nationalsozialismus vor allem die unantastbare Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellt. Der Landkreis Miltenberg hat die besondere Bedeutung unseres Grundgesetzes auf meine Initiative hin in einer Feierstunde im Bürgersaal des Historischen Rathauses in Miltenberg gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern und Vertretern aus Kreistag und Gemeinden auf meine Initiative hin gewürdigt. Dabei haben wir auf die historischen Wurzeln unserer freiheitlichen Demokratie hingewiesen, die tatsächlich in unserer Heimat zwischen Rhein, Main und Neckar zu Hause sind.
Denn nach der Katastrophe zweier furchtbarer Weltkriege mit dem Versuch des Nationalsozialismus, neben den Menschen jüdischen Glaubens auch alle Ansätze von Freiheit und Menschlichkeit auszulöschen, gab es historische Wurzeln, auf die die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes nach 1945 zurückgreifen konnten. Denken wir etwa an das Hambacher Fest im Jahr 1832 und das Frankfurter Paulskirchen-Parlament im Jahr 1848. Nicht umsonst fanden diese ersten demokratischen Bestrebungen in unserer Heimat statt. Wie zuerst im Jahre 1970 öffentlich von Bundespräsident Gustav Heinemann erläutert, ist die früheste Wurzel von Freiheit und Demokratie in der Mainzer Republik der Jahre 1792 und 1793 zu finden. Unsere Heimat am Main zwischen Amorbach, Stadtprozelten und Obernburg gehörte damals zum Kurfürstentum Mainz. Diese Mainzer Republik hat ihren Anteil daran, dass sich Werte wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in Deutschland verbreiteten. Mit dieser Republik verbunden sind frühe Demokraten wie Felix Anton Blau aus Walldürn, Friedrich Lehne (Mainz) und der aus Obernburg stammende Adam Lux. Dass sich diese Männer für die Werte der französischen Revolution, also für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, auf deutschem Boden einsetzen, ist wenig bekannt.
Als Ergebnis eines Ideenaustausches zwischen mir und dem Historiker und Kreisheimatpfleger des Landkreises Miltenberg, Eric Erfurth, erfuhren 40 Gäste am Freitag bei einer Veranstaltung von Landkreis Miltenberg und Volkshochschule Miltenberg im Alten Rathaus Miltenberg, welchen Beitrag diese Personen für die frühe deutsche Demokratie leisteten. „Die Wiege der deutschen Demokratie liegen in unserer Heimat zwischen Rhein, Main und Neckar“, habe ich die Erkenntnisse des Abends zusammengefasst und konnte mich auch auf das Urteil unseres vormaligen Bundestagspräsidenten Lammert und auf eine Rede von Bundespräsident Steinmeier stützen.
Die Wiege der Demokratie liegt in unserem Landkreis
Der Einfluss der französischen Revolution sei auch in Miltenberg spürbar gewesen, sagte Miltenbergs Bürgermeister Helmut Demel zu Beginn der Festveranstaltung. Die Werte seien in der Bürgerschaft, die damals als renitent gegolten habe, auf fruchtbaren Boden gefallen. Dies zeigt eindrücklich, worauf es neben einer herausragenden Verfassung ankommt: Die beste Verfassung kann ihre Wirkung nur entfalten, wenn es genügend überzeugte Demokrat*innen gibt, die die Verfassung hochhalten, indem sie die Werte überzeugt leben. Deshalb liegt mir so viel an dem wirklich großen Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger, etwa bei der Demonstration „Wir sind bunt“ im Herbst 2018. Es ist eindrucksvoll, dass hier 4.000 Menschen aus dem Landkreis Miltenberg und dem Bayerischen Untermain deutlich Stellung bezogen haben für Freiheit, Demokratie und Menschlichkeit. Dieses Engagement erleben wir täglich, denn wir haben enorm engagierte Bürgerinnen und Bürger in allen Lebensbereichen. Positiv ist, dass gerade eine junge Generation heranwächst, die großes Wertebewusstsein zeigt und zu großem Engagement bereit ist. Dies erleben wir an unseren Schulen nicht nur in Projekten wie „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ oder den Fair-Trade-Schulen. Auch beim Thema Natur- und Klimaschutz sind unsere jungen Menschen enorm engagiert. An einem Samstag im März 2019 durfte ich Gast bei einem Klimaprojekt im Schulzentrum Elsenfeld sein. Deswegen unterstützen unsere Schülerinnen und Schüler eben auch glaubhaft die Fridays-for-future-Bewegung, denn sie leben in großer Zahl auch die Überzeugung, mehr für den Schutz unserer Lebensgrundlagen zu tun.
Diesen Bogen vom Engagement junger Persönlichkeiten aus unserer Heimat in der Mainzer Republik bis zum Engagement heute für unsere Demokratie, für unsere Lebensgrundlagen, spann die Festveranstaltung des Landkreises Miltenberg, die Eric Erfurth konzipiert hatte.
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Unser Kreisheimatpfleger Eric Erfurth mit mir im Gespräch mit
den drei Akteuren des Abends. |
Eric Erfurth stellte die Bedeutung des Raums Rhein/Main/Neckar für die Wurzeln der Demokratie heraus und verwies auf die Protagonisten Blau, Lehne und Lux. Er stellte zudem die Künstler des Abends vor: den Historiker Dr. Jörg Schweigard, den Schauspieler Arne Dechow und den Musiker Bodo Kolbe, die mit Vorträgen, Lesungen und Musik auf die Wurzeln der Demokratie eingingen und Felix Anton Blau, Friedrich Lehne und Adam Lux lebendig werden ließen. Schweigard und Dechow legten dar, wie die Ideale der Französischen Revolution Anklang fanden, Bodo Kolbe lieferte die Musik.
Pressefreiheit auch im 18. Jahrhundert ein wichtiges Thema
Friedrich Lehne atmete als Student in Mainz schnell den Geist der Aufklärung und sympathisierte mit den Idealen der Revolution, als die französischen Truppen im Jahr 1792 Mainz einnahmen. Im sogenannten Jakobinerclub fand er Gleichgesinnte und veröffentlichte viele Gedichte und Zeitungsartikel, in denen er aus seiner Sympathie mit den Werten der Revolution keinen Hehl machte. Die Pressefreiheit war für ihn ein hohes Gut in einem freiheitlichen Staat, das er vehement einforderte. Im Juli 1973 rettete er sich ins französische Exil und kehrte erst 1798 wieder nach Mainz zurück. In der deutschen Vertonung des Marseiller Marsches ließ Bodo Kolbe die revolutionären Gedanken Lehnes auferstehen, ebenso im „Waffenruf an die Bürger des Landes Mainz“ und zwei weiteren Liedern.
Felix Anton Blau, 1754 in Walldürn geboren, wurde Priester und hatte später einen Lehrstuhl in Mainz. Auch Blau war Mitglied des Jakobinerclubs und trat für die Ziele der Französischen Revolution ein. Seine kritische Haltung, wegen der Blau als Landesverräter galt, brachte ihm unter anderem 22 Monate Festungshaft in Königstein ein, ehe er 1795 freigelassen wurde und nach Paris emigrierte. Blau galt als Kritiker der Kirche und wandte sich unter anderem in Schriften gegen den Unfehlbarkeitsanspruch der Kirche. Nach der Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich kehrte er wieder nach Mainz zurück und starb im Alter von 44 Jahren.
Lebendiges Bild der Mainzer Republik
Der 1765 in Obernburg geborene Adam Lux, Sohn eines Bäckers, studierte in Mainz Philosophie und lebte in Kostheim bei Mainz. Als die Franzosen in Mainz einmarschierten, sympathisierte er mit den Werten der Revolution und trat dem Jakobinerclub bei. In Paris wurde er Zeuge des Machtkampfs zwischen den gemäßigten und radikalen Jakobinern. Lux, seiner Ideale beraubt, wollte sich als Fanal gegen die Herrschaft der politischen Gewalt öffentlich erdolchen, wurde aber von Freuden davon abgehalten. Nach Verfassen einer revolutionären Schrift musste er vor das Revolutionstribunal und schlug hier bewusst alle Möglichkeiten aus, einer Hinrichtung zu entgehen. So wurde Lux am 4. November 1793 hingerichtet. Wie sehr Lux Eindruck hinterließ, beweist ein Stück von Stefan Zweig, das Lux’ Leben in Bildern darstellt.
Der thematische Abend vermittelte durch das Zusammenspiel der Akteure ein lebendiges Bild der Mainzer Republik und ihrer Protagonisten. Die Bedeutung dieser Republik, des ersten demokratischen Staatswesens auf deutschem Boden, sei noch zu wenig bekannt, fand Jörg Schweigard. Der Bundespräsident habe aber letztes Jahr in Mainz die große Bedeutung dieser Republik hervorgehoben, die den schwierigen deutschen Weg zur parlamentarischen Demokratie markiert habe. Mit einem Dankeschön, begleitet von viel Applaus des Publikums, entließ der Landrat Künstler und Gäste nach spannenden zwei Stunden nach Hause.
Nehmen wir uns das Engagement dieser Persönlichkeiten aus unserer Heimat zum Vorbild für die Zukunft, denn wir müssen uns täglich für unsere Werte, für Freiheit, Demokratie und Menschlichkeit einsetzen!