Ein Bild aus den "guten, alten Vor-Corona-Zeiten", als die Ausbildungsmessen noch stattfanden. Was aber gut ist: Die Liste offener Ausbildungsstellen ist lang!Trotz Wirtschaftskrise Licht am Horizont erkennbar
Die
Corona-Krise hat in allen Lebensbereichen Spuren hinterlassen, auch
wirtschaftlich spüren sowohl Betriebe als auch die Arbeitnehmer*innen die
Folgen. Aufgrund der großen wirtschaftlichen Verwerfungen hat sich der Ausschuss
für Wirtschaft und Tourismus einzig und allein dem Thema Corona-Krise und die
Wirtschaft im Landkreis gewidmet – und dabei in vielen Ausführungen trotz der historischen Dimension des Konjunktureinbruchs einen Silberstreif
am Horizont sehen können.
Rückblick auf das Krisenmanagement im Katastrophenfall
Landrat
Jens Marco Scherf sprach von einer medizinisch derzeit unauffälligen
Corona-Lage im Landkreis, dennoch müsse man weiter die Grundlagen des
Infektionsschutzes beachten, wie Abstände einhalten, Nasen- und Mundbedeckung
bei Bedarf tragen sowie auf Hygiene achten. Dass der Landkreis bislang gut
durch die Krise gekommen sei, führte er auf konsequentes Krisenmanagement unter
Leitung der Führungsgruppe Katastrophenschutz zurück. An drei Bürgertelefonen zu
allgemeinen und medizinischen Fragen sowie zu den wirtschaftlichen Soforthilfen
des Bundes und des Freistaats habe man rund 18.000 Anfragen beantwortet – ohne
Personalmehrung, sondern durch Überstunden, Arbeitsverdichtung und
Personalverlagerungen innerhalb der Behörde. Dieser historisch einmalige
Kraftakt auch im Gesundheitsamt habe es ermöglicht, die Kontaktpersonen zu
allen 305 bestätigen Infektionen mit Sars-CoV-2 zu identifizieren und dabei
über 1.300 Menschen im Landkreis zeitweise unter Quarantäne zu stellen.
Im Landratsamt selbst seien alle Dienste
fortgeführt worden, bei den Wertstoffhöfen und den Kfz-Zulassungsstellen gebe
es nun Online-Terminbuchungen. Insgesamt erhöhe das Vereinbaren von Terminen
sogar die Servicequalität. Zu den Buchungssystemen gelangt man über www.landkreis-miltenberg.de
In
der Umsetzung des Kreishaushalts 2020 habe man unter strikter Kontrolle der
Einnahmen und Ausgaben an allen Investitionen festgehalten, die Lockerungen
möglichst einfach, aber verantwortungsvoll umgesetzt und stets mit der IHK und
der HWK gesprochen. Die Mehrkosten im Zusammenhang mit Corona bezifferte der
Landrat auf 110.000 Euro. Der Freistaat wolle diese Kosten aber erstatten. Der
im Vergleich zu anderen Kreisverwaltungsbehörden maßvolle Mitteleinsatz wird
vom Landrat auf die wirkungsvolle Unterstützung durch die Stützen des
überörtlichen Katastrophenschutzes THW, Feuerwehr mit Kreisbrandinspektion und
BRK zurückgeführt. Beispielsweise bei der Teststrecke gibt es eine sehr gute Kooperation
mit dem BRK-Kreisverband und den Helios-Kliniken.
Heftiger Einbruch am Arbeitsmarkt
Der
Arbeitsmarkt habe einen historisch einmaligen Einbruch in der
Nachkriegsgeschichte erlebt, wies Scherf auf 2.842 Arbeitslose im Landkreis (Zahlen
vom Mai) hin, 865 mehr als im Vergleichsmonat 2019 (3,8 Prozent gegenüber 2,7
Prozent). Am Bayerischen Untermain hätten 4.300 Betrieb Kurzarbeit angemeldet
mit potenziell bis zu 67.000 Betroffenen. Er lobte die weiter hohe
Ausbildungsbereitschaft der Betriebe und sprach von 2.400 Ausbildungsstellen am
Bayerischen Untermain. Die Zahl der offenen Stellen liege zudem über der Zahl
der Ausbildungssuchenden.
Industrie- und Handelskammer
Für
die Industrie- und Handelskammer (IHK) Aschaffenburg gab Hauptgeschäftsführer
Dr. Andreas Freundt einen Einblick in den aktuellen Konjunkturbericht. In den
ersten vier Monaten seien bei etwa zwei Dritteln der Befragten die Umsätze
gesunken, 41 Prozent stuften ihre Lage als schlecht ein. Etwa die Hälfte habe personell
reagiert – mit Kurzarbeit, Nichtverlängerung befristeter Stellen und
betriebsbedingten Kündigungen. Die Hälfte klage über wegbrechende Aufträge, die
Unterbrechung der Lieferkette bereite einem Drittel Sorgen. Vor allem in der
Tourismusbranche sei die Liquidität teilweise existenzbedrohend, wusste Freund.
Hier sähen sogar 91 Prozent eine schlechte Geschäftslage, im Baugewerbe dagegen
sei die Lage relativ gut. Freundt sah „den einen oder anderen
Hoffnungsschimmer“ und lobte den Einsatz der Überbrückungshilfen. Es gelte
dabei, manche Dinge in der Krise als Chance zu sehen und keine Horrorszenarien
zu entwerfen.
Handwerkskammer
Für
die Handwerkskammer (HWK) berichtete Björn Salg von teilweise
erheblichen Umsatzeinbrüchen, die aber nicht alle Branchen gleichermaßen
betroffen hätten. In der aktuellen Konjunkturumfrage, in der die Mitglieder bis
Anfang April befragt worden waren, hätten alle Branchen im Vergleich zum
Vorjahresquartal von einer schlechteren Geschäftslage berichtet. Besonders
betroffen gewesen seien die Gesundheitsbranche und persönliche Dienstleistungen.
Diese Branchen, aber auch das Kfz-Handwerk, hätten über deutlich sinkende
Auftragseingänge und rückgängige Umsätze berichtet. Das Nahrungsmittelhandwerk
sei ebenfalls stark betroffen. Durchweg alle Branchen schätzten die
Geschäftslage im zweiten Quartal 2020 deutlich schlechter ein als im ersten
Quartal. Obwohl die aktuelle Konjunkturumfrage noch laufe, sei aber der Trend
zu stabiler oder positiver Erwartung der Geschäftslage erkennbar. In Sachen
Ausbildung vermeldete er ein zweistelliges Minus bei der Zahl der Ausbildungen.
Die HWK versuche aber, mit verschiedenen Maßnahmen gezielt junge Leute
anzusprechen.
Bundesverband mittelständische Wirtschaft
Laut
Beatrice Brenner vom Bundesverband mittelständischer Wirtschaft habe in
den Unternehmen der Umstieg auf das Home-Office gut geklappt, auch wenn die
Umsetzung der Datenschutz- und Arbeitsplatzrichtlinien nicht immer eingehalten
worden sei. Die Hilfsgelder für Solo-Selbstständige hätten sich teilweise lange
verzögert, auch seien Kredite für Unternehmen nicht so unkompliziert geflossen
wie ursprünglich angekündigt. Die Stundung von Sozialbeiträgen und Steuern habe
geholfen, allerdings müssten diese dennoch bezahlt werden. Sie zeigte sich
dankbar für das Instrument der Kurzarbeit, das rund die Hälfte der Betriebe in
Anspruch genommen habe. Viele Firmen hätten die Digitalisierung genutzt, kreative
Lösungen entwickelt und alternative Geschäftsmodelle entwickelt. Die Umsetzung
der Mehrwertsteuerregelung sei für manche „ein Monsteraufwand“. Der Bundes- und
Landespolitik gelte ein dickes Lob für die Bereitstellung der Hilfen.
Dachverband: Odenwald-Tourismus
Dass
der Tourismus stark unter der Corona-Krise gelitten hat, ließ sich aus dem
Bericht der Odenwald-Tourismus GmbH ableiten. Von März bis Mai seien die Buchungs- und
Übernachtungszahlen spürbar gesunken, aktuell steige das Buchungsaufkommen aber
stark. Seit Ende Mai hätten 90 Prozent der Gastronomiebetriebe wieder geöffnet.
Vor allem die Betriebe profitierten, die während des Lockdowns Abhol- und
Lieferservice angeboten hatten. Die meisten Ausflugsziele seien mittlerweile
wieder geöffnet, auch gebe es wieder Führungen, wenn auch in eingeschränktem
Umfang. Die Tourismus-GmbH verzeichne deutlich mehr Tagesausflüge, vor allem
durch Besucher aus den umliegenden Ballungsräumen. Die Buchungen auf den
Campingplätzen seien stark gestiegen. Viele touristische Leistungsanbieter hätten
aber wirtschaftliche Probleme und könnten kaum in Marketing investieren.
Deshalb komme dem Marketing auf der Ebene der touristischen
Arbeitsgemeinschaften und der Destination eine besonders wichtige Rolle zu.
Hotel- und Gaststättenverband
Für den Kreisverband des Deutschen Hotel- und
Gaststättenverbands sprach Vorsitzender Michael Liebe von „einer schweren
Zeit“ und einer dramatischen, existenzgefährdenden Lage. Das Kurzarbeitergeld
habe viele Betriebe gerettet, sagte er. Leider habe die Krise die Gastronomie
in ihrem traditionell schlechtesten Quartal getroffen. Die Vorgaben aus München
seien extrem kurzfristig gekommen und deshalb nur sehr schwer umsetzbar
gewesen, kritisierte er. Viele Gastronomen hätten das Außerhausgeschäft
angekurbelt und auf diese Weise wenigstens ihre Fixkosten decken können. Liebe
rechnet bis Jahresende mit einer größeren Insolvenzwelle. Eine zweite
Corona-Welle würden viele Gastronomen nicht überleben, glaubt er.
Tourismusverband Spessart-Mainland
Für den Tourismusverband Spessart-Mainland
berichtete Michael Seiterle von stark zurückgehenden Ankünften und
Übernachtungen in den Monaten März und April. Dennoch gebe es Hoffnung: Die
postalischen Anfragen in der Geschäftsstelle lägen bislang zwölf Prozent über
denen des Vorjahres. Vor allem im Mai und Juni hätten die Anfragen stark
angezogen. Er hofft, dass sich dies auch in der Nachfrage ummünzt. Die Internetseite
werde sehr gut besucht, sagte Seiterle und vermeldete sehr hohe Zugriffszahlen im
Mai und im Juni. Die am Buchungsportal angeschlossenen Betriebe freute sich
über viele Buchungen bis zum Jahresende. Immer besser funktioniere das
Marketing über die neuen Medien wie Facebook und Instagram. Etwas Sorge hat
Seiterle wegen der Corona-Situation in Nordrhein-Westfalen, dem wichtigsten
inländischen Quellmarkt der Region. „Hier müssen wir von Tag zu Tag schauen“,
sagte er.
Zentec: Zentrum für Technologie, Gründung, Innovation und Netzwerk
Die ZENTEC hat die Corona-Krise genutzt, um ihre
Projekte weiterzutreiben, sagten die Geschäftsführer Marc Gasper und Thorsten
Stürmer. Im gründerzentrum sei man fast komplett ausgelastet, es gab sogar zwei
Neueinzüge. Die Betreuung und Beratung wurde durch zusätzliche digitale
Angebote erweitert.
Intern habe man sich neu positioniert, nachdem zwei
Neueinstellungen das Team verstärkt hätten. Man etwa für Invest in Bavaria eine
Umfrage der Staatsregierung bearbeitet, in der es um die Herausforderungen in
Unternehmen am Untermain im Hinblick auf eine Corona-Exit-Strategie ging, im
Infoportal „Wo wenn nicht hier“ habe man Informationen rund um die Corona-Krise
gebündelt. In den Kompetenznetzwerken habe man eine Online-Befragung von 600
Unternehmen auf den Weg gebracht in Bezug auf Herausforderungen, Intensivierung
der Netzwerkarbeit und Themen für Veranstaltungen. Man habe einen Fokus auf die
Virtualisierung der Beratungs- und Netzwerkangebote in allen Geschäftsbereichen
gelegt, Webinare und Schulungsangebote seien in Vorbereitung. In Sachen
Gründungsberatung vermeldete Stürmer nachlassende Nachfrage, auch wenn das Technologie-
und Gründerzentrum zu 98 Prozent ausgelastet sei. Große Bedeutung schrieb er
dem EXIST-Förderprogramm zu, mit dem in Kooperation mit der TH Aschaffenburg
und dem Digitalen Gründerzentrum Gründungspotenziale an der TH Aschaffenburg
entwickelt und genutzt werden sollen.
Miteinander ist wichtig beim Gang aus der Krise
Trotz der historischen Krise, die alle Bereiche betrifft, sehen wir etwas Licht am
Horizont. Die ersten Monate haben wir in einem engen Schulterschluss im Landkreis Miltenberg sehr gut bewältigt, wir haben uns im
Landkreis Miltenberg aufeinander verlassen können. Darauf wird es auch in den
kommenden Wochen und Monaten ankommen.
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Samstag, 27. Juni 2020
Kreistag: Die wirtschaftliche Lage im Landkreis Miltenberg in der Corona-Krise
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