Liebe Bürgerinnen und Bürger,
das fränkische Feldgeschworenenwesen ist eine der ältesten fränkischen Traditionen überhaupt und geht als Teil der kommunalen Selbstverwaltung bis auf das 11. Jahrhundert zurück. Gerade angesichts der Grenzverletzungen in Europa im Jahr 2022 macht es Sinn, genauer auf die Arbeit der ehrenamtlich tätigen Feldgeschworenen zu blicken und über den Sinn dessen nachzudenken.
Hierfür habe ich Ihnen meine Festrede vom Jahrtag der Feldgeschworenen vom 3. Juli 2022 abgedruckt:
Anrede!
Als Ihr Landrat
darf ich Sie herzlich und endlich wieder zu diesem ungewöhnlichen
Feldgeschworenen-Jahrtag des Altlandkreises Miltenberg begrüßen. Ihre Einladung
zu dem traditionellen Festtag hierher nach Kleinheubach habe ich wieder sehr
gerne angenommen.
Es ist eine
ehrenvolle Aufgabe für mich, die so langen aufgeschobenen und nun endlich
wieder möglichen Ehrungen und Vereidigungen der Feldgeschworenen für die Städte
und Gemeinden des Altlandkreises Miltenberg vorzunehmen. Sehr gerne überbringe
ich Ihnen herzliche Grüße von vielen geladenen Ehrengästen aus dem Bundestag
und aus dem Landtag. Sie sind heute alle leider wegen anderer Termine
verhindert, vor allem wegen dem Tag der Franken in Aschaffenburg. Aber der
Ehrentag der Schutzheiligen Frankens ist auch ein guter Tag, um gemeinsam den
Feldgeschworenentag und damit eine der ältesten fränkischen Traditionen zu
feiern.
Sie alle haben
wie sicher auch ich in besonderer Weise in den vergangenen Monaten gebangt –
können wir dieses Jahr endlich den Feldgeschworenentag durchführen, ist es
möglich und ist es verantwortbar. Ja, es ist verantwortbar und es ist möglich
aufgrund der momentanen Entwicklung der Pandemie mit in der Regel milden
Verläufen und einer hohen Impfquote.
Sicher ist es
Ihnen nicht verborgen geblieben, dass nun auch ich persönlich in den
vergangenen Tagen bangen musste: Werde ich heute hier bei Ihnen sein können
nach meiner Corona-Infektion in der vorletzten Woche. Ich war sehr erleichtert,
gerade auch wegen unseres Jahrtags, dass bereits vergangenes Wochenende meine
Erkältungssymptome auf dem Rückzug waren und meine Schnelltests seit Anfang
dieser Woche negativ sind. Trotz allem habe ich in den vergangenen Tagen noch
„langsam“ gemacht und alle öffentlichen Termine gemieden – zum einen, um den
heutigen Tag nicht zu gefährden, aber auch aus der Einsicht, dass auch bei
milden Verläufen einer Corona-Infektion in den ersten Wochen danach es wichtig
ist, nicht gleich wieder innerhalb kurzer Zeit dem Körper 100% Belastung
zuzumuten.
Aus diesem
Umstand heraus bin ich wirklich sehr glücklich, Sie alle heute in diesem
wunderbaren Rahmen begrüßen und diesen Tag mit Ihnen verbringen zu dürfen. Und
einen ganz besonderen Ehrengast haben wir auch in unseren Reihen. Bitte
begrüßen Sie mit mir unseren frischgewählten Kreisobmann des Bauernverbandes,
Herrn Jochen Herberich. Der Bauernverband ist stets ein wichtiges Organ im
gesellschaftlichen Leben und im Miteinander unseres Landkreises und seine Ziele
sind mit den Tätigkeiten des Feldgeschworenenwesens bei Vermessungen und
Abmarkungen eng verwoben. Lieber Herr Herberich, von uns allen und auch von mir
persönlich Glückwunsch zum Vertrauen, das Sie mit der Wahl ausgesprochen haben,
und Dank, dass Sie dieses Ehrenamt und die besondere Verantwortung übernommen
haben. Das Feldgeschworenenwesen, das Landratsamt mit der Unteren
Naturschutzbehörde mit Frau Groll und ihrem Team sowie ich persönlich freuen
uns auf die enge und gute Zusammenarbeit.
Der feierliche
Gottesdienst und der festlich geschmückte Hofgartensaal dokumentieren, dass es
der Feldgeschworenenvereinigung gelungen ist, mit dem Markt Kleinheubach einen würdigen
Gastgeber für die hohe Tradition des gemeinsamen Feldgeschworenen-Jahrtages zu
finden. Vielen Dank an Pfarrer Geißlinger und die Gottesdienstbeauftragte Frau
Lutz für den wirklich zum Nachdenken anregenden Gottesdienst zwischen den Polen
der grenzenlosen Liebe Gottes auf der einen Seite und der Begrenztheit der
menschlichen Existenz und des Menschen überhaupt. Eine menschliche Existenz wie
auch das Miteinander sind nur dank der Grenzen und des Respekts, zum Beispiel vor
den Grenzen des anderen, möglich.
Die
Feldgeschworenen-Kreisvereinigung Miltenberg mit ihrem Kreisobmann Eberhard
Ulrich, dem Ortsobmann Sven Fertig und dem bewährten Vorstandsteam planten und
organisierten mit tatkräftiger Unterstützung der Gemeinde Kleinheubach, Bürgermeister
Thomas Münig sowie Kirche und Vereine diesen ungewöhnlichen Jahrtag. Ihnen
allen gilt mein besonderer Dank, hierunter den Musikanten Kleinheubach und dem
Team der Freiwilligen Feuerwehr ein besonderer Dank.
Über die
Kreisvereinigung habe ich erfahren, dass Eberhard Ulrich angekündigt hat, bei
der heute Nachmittag anschließenden Versammlung mit Wahlen nach vielen
verdienstvollen Jahren sein Amt als Kreisobmann zur Verfügung zu stellen. Es
ist anerkennenswert, wenn er rechtzeitig auf eine Kontinuität und Verjüngung an
so einer verantwortungsvollen Position achtet. Herr Ullrich hat sich mit seiner
besonnenen Art, seiner positiven Ausstrahlung und seinem aufwendigen Engagement
viel Respekt und Anerkennung in diesem Amt erworben. Ich achte seine
Entscheidung mit größtem Respekt und danke ihm von Seiten des Landkreises für
seinen großen Einsatz und die großartige und vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Lieber
Eberhard, die Zusammenarbeit mit dir hat mir immer Freude gemacht. Die
Anerkennung und Wertschätzung des hohen bürgerschaftlichen Engagements ist mir
extrem wichtig, deshalb freue ich mich sehr, dass wir heute verdiente
Feldgeschworene auszeichnen dürfen!
Ehrungen
Der Teil der „Ehrungen“
ist mir von besonderer Bedeutung: Für Ihre pflichtbewusste, verdienstvolle
Arbeit für die Allgemeinheit bedanke ich mich persönlich bei Ihnen, meine Herren
Feldgeschworenen, ganz herzlich. Das bürgerschaftliche Engagement in Rahmen
eines Ehrenamtes ist eines der Fundamente unserer freiheitlichen Demokratie.
Dies gilt für jede:n Bürger:in, die sich für das Gemeinwohl engagiert. Dies ist
der Wesenskern und ein unerlässliches Fundament, dass Menschen sich selbstlos
entsprechend ihrer Interessen, Fähigkeiten und Leidenschaften für das
Gemeinwohl einbringen. Damit stärken Sie insgesamt unsere Freiheit!
Die
Feldgeschworenen leisten aufgrund des Wesens ihrer Tätigkeit auch heute noch in
vielen Fällen eine wichtige Vermittlung bei Grenzstreitigkeiten und nehmen
Aufgaben bei der Abmarkung von Grundstücken wahr – dies möchte ich ausdrücklich
würdigen und wertschätzen! Über diese unmittelbare Wirkung Ihres großen
Engagements für das älteste Ehrenamt in Franken leisten Sie überdies einen
wichtigen Beitrag für unsere freiheitliche Demokratie.
Gerade in
diesem Jahr 2022, welches von einem nicht mehr für möglich gehaltenen
Angriffskrieg eines der Alliierten des Zweiten Weltkriegs – Russland im Verbund
mit Belarus, der angegriffenen Ukraine, den bedrohten baltischen Staaten und
Georgien, einer der Staaten, welcher eigentlich in den Geschichtsbüchern mit für
den Beginn der längsten Periode von Frieden in Europa stand, geprägt ist, wird
uns die Bedeutung von Frieden und Freiheit wieder bewusst! Beziehungsweise spüren
und erleben wir besonders die Gefährdung unseres in den vergangenen Jahrzehnten
zur Gewissheit gewordenen Lebens in Frieden und Freiheit. Dass wir nun in
Europa und auch in der ganzen Welt darum bangen und kämpfen müssen, dass
Grenzen von Nationalstaaten und damit der Wille eines Volkes wie das der
Ukraine geachtet wird, seine Gesellschaft nach den Regeln der Freiheit und
Demokratie zu gestalten, schockiert uns alle – wir müssen um diesen
Wertekonsens ringen, ja gemeinsam kämpfen. Der Angriff auf die Ukraine ist nicht
nur ein Angriff auf dieses Land, sondern, da es sich gegen ein Land auf dem Weg
von Freiheit und Demokratie richtet, auch ein Angriff auf uns alle, die wir in
Freiheit und Demokratie leben.
Umso wichtiger,
werte Bürgerinnen und Bürger, liebe Feldgeschworene, ist es, dass wir uns nicht
nur des Wertes von Frieden und Freiheit bewusst sind, sondern dass wir dies
auch aktiv leben. Deshalb, liebe Feldgeschworene, sind Sie Vorbilder und Aktive
für Frieden und Freiheit.
Deshalb gilt
nicht nur mein besonderes persönliches Dankeschön, sondern der Dank des
Staatswesens, Ihnen, werte Orts-Obleuten aus den Gemeinden und Ortsteile. Der
ganz besondere Dank und die besondere Aufmerksamkeit gilt Ihnen, welche dieses
Ehrenamt nun schon seit 25 sowie 40 und sogar tatsächlich 50 Jahren bekleiden.
Sie alle tragen
dazu bei, dass die Grundlagen der freiheitlichen Gesellschaft, das Eigentum, das
Recht und die Ordnung unseres Miteinanders geschützt werden und in den
Gemeinden und unserem Landkreis ein angenehmes Zusammenleben ermöglicht wird.
Ihr langes, unermüdliches Engagement verdient meinen vollen Respekt und den der
Gesellschaft.
Ich darf Ihnen
nun die Ehrenurkunde des bayerischen Staatsministers
für Heimat und Finanzen, Herrn Albert Füracker, für langjährige
Zugehörigkeit zu den Feldgeschworenen mit meinem persönlichen Dank und den
besten Wünschen für die kommenden Jahre aushändigen.
Dafür werde ich
die zu Ehrenden nun getrennt nach den Ehrungsjahren 2021 und 2022 dann zu mir
nach vorne bitten:
Vereidigungen
Das Herzstück des heutigen Jahrtags ist die Vereidigung
neuer Feldgeschworener. In Anbetracht der großen Bedeutung Ihres Ehrenamtes für
unser Miteinander sind wir dankbar, dass 13 Persönlichkeiten aus unseren
Gemeinden sich bereit erklärt haben, diese Verantwortung zu übernehmen,
Diese anerkennungswerte Tätigkeit werden künftig dreizehn neue Feldgeschworenen
ausüben, die im Anschluss vereidigt werden. Sie werden durch ihre Arbeit die
verdiente Achtung vor dem Feldgeschworenenwesen aufrechterhalten.
Machen wir uns
die Bedeutung dieses fränkischen Ehrenamtes bewusst, welches auf das 11. &
12. Jahrhundert zurückgeht. In einer Zeit der absolutistischen Herrschaft
konnten die Herrschenden schon nicht auf die Mitwirkung Sachkundiger vor Ort
verzichten und schufen mit den Feldgeschworenen einen heute noch
unverzichtbaren Bestandteil kommunaler Selbstverwaltung gerade in den
fränkischen Landstrichen.
Und gerade
aufgrund dieser Einsicht in die Hilfsbedürftigkeit staatlicher Organisation
durch örtliche Mithilfe sehe ich ein wichtiges Fundament unseres
funktionierenden Gemeinwesens: sowohl die kommunale Selbstverwaltung als auch
die Mitwirkung durch engagierte Bürgerinnen und Bürgern sichern das
Funktionieren des Staates und begründen gerade den Unterschied zu autoritären
Staatsmodellen, wie dies der aggressive Autokrat Putin vertritt. Wir in Bayern,
in Deutschland und in den Staaten der Europäischen Union leben hingegen ein
Staatsverständnis vor, dass auf der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger aufbaut
und gerade in der Einbindung freier Menschen und deren Engagement ihren Erfolg
begründet sieht.
Aus diesem
Umstand heraus ergibt sich meine besondere Achtung vor dem bürgerschaftlichen
Engagement insgesamt und dem Feldgeschworenenwesen im Besonderen.
Dank an diesen Schnappschuss von Bürgermeister Robin Haseler:
