Liebe Bürgerinnen und Bürger,
am 26. April 2021 jährt sich der Super-GAU von Tschernobyl zum 35. Mal. Bis heute sind die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen in der Region immens. Damals zogen über Wochen und Monate immer neue radioaktive Wolken – je nach Windrichtung - aus Tschernobyl über Europa auch nach Deutschland. Örtlich sind in Südbayern auch heute noch Wild und Pilze nach wie vor hoch belastet.
Damals war ich elf Jahre alt und Schüler im Hermann-Staudinger-Gymnasium in Erlenbach. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Verunsicherung von uns Schülerinnen und Schülern und die Ratlosigkeit unserer Lehrkräfte. Gebannt schaute ich damals die Tagesschau und die Heute-Sendung, um jeden Tag etwas mehr über diese furchtbare Katastrophe zu erfahren. Eindrücklich sind mir noch die Erfahrungen einer Sommerfreizeit in den Alpen. Bei Spaziergängen wurden wir ständig streng ermahnt, nicht den Boden zu berühren, auf keinen Fall die Bäume anzufassen und nichts aufzuheben. Auf dem verstaubten Sandplatz konnten wir Jungs aber dennoch gefühlt rund um die Uhr Fußball spielen …. Und wenn wir das nicht gedurft hätten, dann wäre uns wohl die Decke auf den Kopf gefallen. Sicher werden viele von Ihnen Erinnerungen aus dieser Zeit haben. Eine Erinnerung meiner Frau macht mich besonders nachdenklich. Sie lebte damals in Dresden und die Menschen freuten sich im Jahr 1986 darüber, dass es in den Geschäften eine ungekannte Vielfalt an Obst und Gemüse gab. Woher die DDR in den Monaten nach dem Super-GAU plötzlich diese Vielfalt an Gemüse und Obst für die Versorgung der Bevölkerung hatte? Beim Nachdenken schaudert es mich.
Tschernobyl 1986, ist der größte Super-GAU in der unrühmlichen Geschichte der Atomkraft, deren Gefahren immer heruntergespielt wurden – und teilweise auch heute noch werden. In der Ukraine und der sie umgebenden Staaten waren insgesamt direkt oder indirekt über acht Millionen Menschen betroffen und sind es zum Teil heute noch. Über 800.000 Soldaten, Feuerwehrleute und andere Einsatzkräfte wurden zur Bewältigung der Katastrophe vor Ort eingesetzt. Wie viele davon krank wurden und schließlich infolge bis heute verstarben, darüber gibt es bis heute keine belastbaren Zahlen. Die Erkrankungen reichen von Krebs in allen Fassetten über stark vermehrte Herz-Kreislauferkrankungen bis hin zu Erbgutschäden mit der Folge von Totgeburten und vielen Missbildungen. Ein großes Leid, das kaum mehr Beachtung findet.
Als Landrat des Landkreises Miltenberg und als Vertreter des Bayerischen Landkreistages im Bayerischen Begleitgremium bin ich unmittelbar betroffen von der deutschlandweiten Suche nach einem Atommüllendlager: Die Verantwortung unserer Generation für den Suchprozess nach einem Atommüllendlager, welches für eine Million Jahre hochradioaktiven Abfall sicher von der Biosphäre abschließen muss, belegt, dass die politische Entscheidung für die Nutzung der Atomkraft ein großer Fehler war. Die abstruse Vorstellung der Bundesgesellschaft für Endlagerung, dass Spessart und Odenwald geologisch grundsätzlich geeignet wären, zeigt die Not bei der Suche nach einem verlässlich sicheren Atommüllendlager. Die Klüftigkeit des kristallinen Wirtsgesteins und das geringe Rückhaltevermögen des Deckgebirges machen Spessart und Odenwald zu komplett ungeeigneten Regionen für knapp 30.000 Kubikmeter hochradioaktiven Abfalls.
Mehr Informationen hierzu finden Sie in einer digitalen Ausstellung virtuell unter www.base.bund.de/virtuelle-endlagerausstellung. Besichtigen Sie die Ausstellung, indem Sie sich frei darin bewegen. Oder folgen Sie einfach der „Tour“.
Der Landkreis Miltenberg ist im Rahmen der bundesweiten Suche nach einem Standort für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle betroffen. Im September 2020 hat die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) nach § 13 Standortauswahlgesetzes des Bundes große Teile von Odenwald und Spessart als Bestandteile der 90 Teilgebieten eine grundsätzliche geologische Eignung zugesprochen. Mit der Veröffentlichung dieser Teilgebiete beginnt die gesetzlich geforderte Öffentlichkeitsbeteiligung. Kern der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sind drei Fachkonferenzen, von denen die erste bereits vom 5. bis 7. Februar stattgefunden hat. Hier wurde seitens des Landratsamtes unter anderem Fragestellungen bezüglich der Fragwürdigkeit der geologischen Eignung von Spessart und Odenwald unter anderem durch mich eingebracht: Weder das mangelhafte Rückhaltevermögen des Deckgebirges noch die Klüftigkeit des kristallinen Wirtsgesteins finden unseres Erachtens bislang eine ausreichende Berücksichtigung.
Zur Verbesserung der Beteiligung durch Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Miltenberg war auf Initiative von Bürgermeister Thomas Münig (Kleinheubach) eine landkreisweite Ausstellung zur Endlagersuche im Mai geplant. Er sieht die Notwendigkeit, dass es wichtig ist frühzeitig zu informieren und die Bürgerinnen und Bürger zur Beteiligung anzuregen. Gerade im Vorfeld der 2. Fachkonferenz vom 10. bis zum 12. Juni macht diese Ausstellung Sinn, um den Bürgerinnen und Bürgern im Landkreis Miltenberg eine aktive Teilnahme an der 2. Fachkonferenz zu ermöglichen.
Aufgrund der Pandemie und der Kontaktbeschränkungen ist diese Ausstellung nur in digitaler Form möglich. Die Ausstellung „suche:x“ des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) bietet einen schnellen Überblick zu wesentlichen Aspekten der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle in Deutschland: Wie läuft die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle ab? Welches Wirtsgestein eignet sich? Wie kann ich an der Endlagersuche mitwirken? Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ist fester Bestandteil des Suchprozesses und gesetzlich vorgeschrieben. Nähere Informationen zur Teilnahme und Anmeldung an der 2. Fachkonferenz im Juni 2021 wird das Landratsamt rechtzeitig im Mai veröffentlichen.
Die Ausstellung erklärt, wie sich jeder aktiv beteiligen, Kritik üben und Vorschläge machen kann. Das BASE reguliert und überwacht die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle in Deutschland und organisiert die Öffentlichkeitsbeteiligung.
Hintergrundinformationen zum Verfahren und einen Überblick über aktuelle und künftige Beteiligungsmöglichkeiten erhalten Sie auf der zentralen Informationsplattform zur Endlagersuche (www.endlagersuche-infoplattform.de).
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