Donnerstag, 3. Dezember 2020

Klare Kante für unsere freiheitliche Demokratie, oder: Wenn die AfD den bayerischen Landrät*innen schreibt!




Wenn die AfD im Landtag Briefe schreibt…

 

Liebe Bürgerinnen und Bürger

 

ich möchte Sie über einen Vorgang ausführlicher informieren, über den ich auch die Mitglieder des Kreisausschusses in der Sitzung am 1. Dezember in Kenntnis gesetzt habe:

„Gerade die Bürgermeister*innen unter Ihnen kennen in den vergangenen Monaten eine Zunahme von verbalen Beleidigungen oder Bedrohungen. Besonders perfide sind meines Erachtens die Andeutungen und Doppeldeutigkeiten aus dem rechtsradikalen & rechtsextremen Bereich, wenn, ich zitiere nun, vom „Volksfeind“ oder vom „Tag der Abrechnung“ gesprochen wird.

Etwas überrascht wurden meine bayerischen Landratskolleg*innen durch ein Schreiben aus dem Landtag, Absenderin: Katrin Ebner-Steiner, AfD-Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag.

In dem Schreiben fordert die AfD mich und meine Kolleg*innen auf, alles dafür zu tun, die Maskenpflicht für Grundschüler auszusetzen. Vielleicht etwas verspätet wird – schließlich sieht die im November gültige Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung keine Abwägung durch die Kreisverwaltungsbehörden mehr vor - an den Mut appelliert, sich gegen „ein totalitäres Hygieneregime“ zu stellen.

 

Ich stelle hier genau die perfide Widerstandsrhetorik fest, die wir bereits bei der in den Medien bekannt gewordenen „Jana aus Kassel“ und einigen anderen erleben, die damit alle Opfer des totalitären Naziregimes verhöhnen. Wer eine freiheitlich-demokratische Grundordnung als „totalitär“ bezeichnet, verhöhnt nicht nur die wirklichen Opfer des Totalitarismus, sondern schädigt auch Demokratie und Freiheit in Deutschland.

 

Ebenfalls ein rhetorisches & politisches Stopp-Signal setze ich an einer zweiten Stelle, an der die AfD-Fraktionsvorsitzende schreibt: "In einer späteren Zeit werden alle Maßnahmen und das Verhalten aller Verantwortlichen sicher noch einmal in einem anderen Licht gewürdigt werden", heißt es in dem Brief an mich.

 

Unterzeichnerin Ebner-Steiner hat inzwischen öffentlich erklärt, als mein mir aus dem deutsch-polnischen Ausschuss bekannter Landratskollege Stefan Löwl (Landkreis Dachau) diese Drohungen öffentlich kommentiert hat, sie könne die Aufregung nicht verstehen: Jede politische Entscheidung werde doch früher oder später auf ihren Erfolgsgehalt hin gewürdigt. Und, so Ebner-Steiner, wer Angst habe, sich dieser politischen Verantwortung zu stellen, sollte nicht in der Politik tätig sein.

Gleichzeitig warf sie den Kritikern des Briefs vor, einen "neuerlichen Versuch" zu unternehmen, "einen AfD-Vertreter mit einer abstrusen Konstruktion zu diffamieren."

 

Ich bitte Sie, liebe Kreisrätinnen und Kreisräte, fallen Sie nicht auf diese „Wolf im Schafspelz Taktik“ der AfD herein! Das, was die AfD in diesem Schreiben offenbart, ist ein typisches Muster der AfD-Kommunikation. Es werden doppeldeutige Formulierungen genutzt, um gleichzeitig die eigene Anhängerschaft zu bedienen und Kritik an sich abperlen lassen zu können, um sich anschließend wieder als Opfer stilisieren zu können. Das mediale Karussell dreht sich so weiter, man hält die Anhängerschaft bei der Stange und gleichzeitig kann man immer abstreiten, es so gemeint zu haben.

Ich erinnere aber daran, dass Björn Höcke bei seinem Besuch in Unterfranken unseren Polizist*innen zugerufen hat: „Wechseln Sie die Seite, bevor es zu spät ist“. Die AfD spielt mit diesen Verweisen auf einen möglichen rechten Putsch, auch mit der eingangs erwähnten Diffamierung Andersdenkender als „Volksfeind“. Das war im Nationalsozialismus die Bezeichnung für die Menschen, die das Konzentrationslager Dachau gesperrt wurden.

 

Öffentlich mache ich dies heute Ihnen gegenüber um ein Zeichen gegen diese Einschüchterung und Tabubrüche von rechts zu setzen. Wenn wir Stück für Stück immer mehr zulassen, wie dies die AfD derzeit austestet, werden wir Gefahr laufen, irgendwann an einem Punkt zu stehen, von dem aus wir nicht mehr zurückkommen. Deshalb ist es unsere Aufgabe, rechtzeitig Stopp zu sagen, wenn unsere Demokratie angegriffen werden. Wir müssen nicht nur die Pandemie bekämpfen, sondern auch die politischen Trittbrettfahrer, die von der Pandemie politisch profitieren wollen und unsere freiheitliche Demokratie angreifen!“

 

Soweit meine Erklärung im Kreisausschuss am 1.12.2020.

Ergänzend betone ich, dass ich es für wichtig halte, über die Maßnahmen des Infektionsschutzes offen und kontrovers zu diskutieren. Deshalb habe ich auch im Frühsommer eine Einladung zu einer Demonstration einer corona-kritischen Bewegung angenommen. Unter folgendem Link können Sie meine Rede nachlesen: https://jensmarcoscherf.blogspot.com/2020/06/rede-des-landrats-bei-einer.html

 

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