Mittwoch, 12. Oktober 2022

50 Jahre - wie feiert ein Landkreis seinen Geburtstag? Eine fast unlösbare Frage!







Liebe Bürgerinnen und Bürger,

 

wie kann ein Landkreis mit über 129.800 Bewohner:innen seinen 50. Geburtstag feiern? Schwer geht das in einem fest, denn Geburtstagskinder sind ja nicht nur die über 129.800 Bürgerinnen und Bürger, sondern auch alle Weggezogenen… somit vertrete ich die Auffassung, dass wir praktisch bei jeder Zusammenkunft, bei jedem fest eines Vereins, unseren 50. Geburtstag feiern. Schließlich besteht ja der Wert des Landkreises in dem Engagement eines jeden Vereins, jeder Initiative, jedes Verbandes und aus dem Engagement eines jeden einzelnen Menschen… so hatte ich zum Beispiel auch beim Besuch des Heimatvereins Weilbach - Weckbach Anfang Oktober das Gefühl, auch dort ein bisschen den Geburtstag des Landkreises mit den Menschen feiern zu können, ebenso wie beim 125. Geburtstag der Freiwilligen Feuerwehr in Sommerau.... 

 

                                             


Und dennoch, einen offiziellen Festakt muss es dennoch geben. Aber bitte nicht mit stundenlangen Ansprachen....

Wen aber angesichts der beschränkten Kapazitäten einladen? Ich habe mich schließlich dazu entschieden, neben den aktuellen und ehemaligen Mitgliedern des Kreistags, den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, den Abgeordneten, den Leitungen der für uns wichtigen Behörden vor allem die Menschen einzuladen, die sich besonders mit der Geschichte und Entwicklung unseres Landkreises beschäftigen, also die Vorsitzenden unserer heimat- und Geschichtsvereine.

 

Und so kamen zu einem unterhaltsamen und informativen Abend Ende September über 200 Gäste aus Anlass des 50-jährigen Bestehens des Landkreises Miltenberg im Bürgerzentrum in Elsenfeld zusammen. Ich selbst gab mir Mühe, nur einen kurzen und gelegentlich mit einem Augenzwinkern verbundenen Blick auf die letzten 50 Jahre zurück zu werfen.

Was im vergangenen halben Jahrhundert von Seiten der Kreispolitik geleistet wurde, hätte den Rahmen des Abends aber gesprengt, weswegen ich in Anbetracht der 1972 geäußerten Kritik Großheubachs an einem fehlenden Plan für den Regionalen Planungsverband einen Blick auf die Pläne im Übermaß warf wie beispielsweise das Radverkehrskonzept, das seniorenpolitische Gesamtkonzept, das jugendpolitische Konzept, das Konzept für mehr Güterverkehr auf der Schiene, den Ausbau der Maintalbahn, und ein Photovoltaikprogramm auf den Landkreisliegenschaften – und vor allem die Schulbauprogramme I, II und III, die dank des damaligen und heutigen Engagements der Kreisrätinnen und Kreisräte umgesetzt wurden und werden.

Wenn der Kreistag Großes geleistet hat, dann in Momenten, in denen leidenschaftlich und sachorientiert gestritten, aber nicht auf parteipolitische Punkte geschielt wurde! Das, was den Landkreis Miltenberg ausmacht, sind die Menschen, die sich nicht zurücklehnen und darauf warten, was der Staat nun macht, sondern selbst anpacken. So haben wir die Krisensituationen mit vielen Flüchtlingen herausragend bewältigen können, egal ob 2015/15 oder in diesem Jahr 2022. Diese Mentalität und Einstellung wünsche ich mir gerade in den kommenden Jahren, in denen wir viele schwere Aufgaben bewältigen müssen!

 

Der ehemalige Kreisheimatpfleger Dr. Werner Trost, mein ehemaliger Lehrer am Hermann-Staudinger-Gymnasium in Erlenbach, warf einen Blick in die lange Historie des Gebildes Landkreis Miltenberg und der Schauspieler Kurt Spielmann würzte den Abend mit Anekdoten aus der Zeit rund um die Entstehung des Landkreises.



                                            

Wie das heutige Gebilde des Landkreises Miltenberg entstand, erklärte der ehemalige Kreisheimatpfleger Dr. Werner Trost. „Er ist ein wahrlich seltsames Gebilde“, zeigte er auf der Landkarte und ging in der Folge auf die unterschiedlichen Herrschaftsverhältnisse ein, die sich nach den vielen Jahrhunderte existierenden Centen entwickelt hatten. In den Centen des Mittelalters, die seit dem 12. und 13. Jahrhundert überliefert sind, habe man erste Konturen des heutigen Landkreises erkannt, zeigte Trost auf einer Karte. Seit dem späten Mittelalter habe dann das Erzbistum Mainz eine zentrale Rolle in der Region gespielt – deswegen auch das Mainzer Rad im Wappen des Landkreises. Die Bauernkriege hätten schließlich eine wichtige Zäsur in der Entwicklung zur Folge gehabt, erklärte Trost und verwies auf den darauffolgenden Fürstenstaat ohne Gewaltenteilung, in dem Verwaltung, Rechtsprechung und Finanzen in Verantwortung der Fürsten gelegen hätten. Mit Napoleon sei ein neues Kapitel aufgeschlagen worden, als die politischen Gebilde neu entstanden seien.  Der Untermain sei bayerisch geworden, aufgrund von „Gebietsschachereien“ und Gebietstausch sei der Landkreis in seinen heutigen Grenzen zu Hessen und Baden-Württemberg entstanden. Unter Montgelas sei Bayern schließlich zum Verfassungsstaat geworden, verbunden mit einer effektiven zentralistischen Verwaltung – quasi eine Revolution von oben. Die „Revolution von unten“ habe mit dem Gemeindeedikt von 1818 die Selbstverwaltung der Gemeinden ermöglicht. Bis Parteien entstanden, habe es lange gedauert – bis nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Die entstandenen Landkreise bekamen in der Folge immer mehr übergemeindliche Aufgaben übertragen – etwa Sparkassen, Krankenhäuser und Schulen. „Das Raumgebilde Landkreis Miltenberg ist ein Ergebnis willkürlicher, historisch erklärbarer Entscheidungen“, fasste Trost zusammen, die Ordnung des politischen Lebens habe sich im Laufe der Zeit entwickelt. Er wünschte dem Landkreis eine „gedeihliche und friedvolle Entwicklung im demokratischen Geist.“

 

Zum Abschluss eines unterhaltsamen Abends betrat der Schauspieler Kurt Spielmann alias Bauer Ewald die Bühne – ein Bäuerlein, das die Entwicklung des Landkreises von Anfang an erlebte, viele Anekdoten beizutragen hatte und wusste, warum etwa die Faulbacher ihren ehemaligen Schulleiter zum Landrat gewählt hatten. Dass Miltenberg zum Kreissitz wurde, verstand Ewald nicht, denn Obernburg als ehemalige Benefiziarerstation wäre doch die bessere Wahl gewesen. Miltenberg sei so altmodisch, lästerte er – und nach Wenschdorf falle man sogar in ein schwarzes Loch. Glücklicherweise sei zu den Autokennzeichen MIL und OBB nicht noch NIE für Niedernberg gekommen, zeigte er sich erleichtert, denn aus guter Quelle wisse er, dass das gefordert worden sei. Dennoch, so der Bauer, „alles in allem ist alles im Landkreis Miltenberg in Ordnung, alles läuft gut.“ Eine Feststellung, bei der nicht alle sicher waren, ob hier entweder des Bauers Frau oder der Landrat gewissen Druck ausgeübt haben könnte.... der begeisterte phrenetische Beifall des Publikums kam auf alle Fälle aus freien Stücken und voll echter Begeisterung für den unverstellten Blick auf 50 Jahre Landkreis Miltenberg - in Mundart!

                                                   

Mit großem Beifall belohnten die Gäste nicht nur Spielmanns Auftritt und Trosts Vortrag, auch die hervorragende musikalische Untermalung durch die jungen Künstlerinnen Evelyn Heldt (Klavier), Marie Schmid (Klavier) und Therese Schmid (Violine) kam sehr gut an. Bei einem Stehempfang tauschten die Gäste noch lange Erinnerungen aus.

                                      

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