Dienstag, 12. Mai 2020

Konstituierende Sitzung des Kreistags - Handlungsfähigkeit auch während der Pandemie





Eröffnung des konstituierenden Kreistags für die Periode 2020 bis 2026 unter den besonderen Bedingungen der Pandemie: Hände waschen vor der Sitzung, Abstand halten, Mund-Nase-Bedeckung (während der vierstündigen Sitzung habe ich die grüne übrigens gegen eine schwarze getauscht).




Kreistag Miltenberg trotz Pandemie handlungsfähig


Unter besonderen Bedingungen erfolgte am Montag der Auftakt zur neuen Legislaturperiode des Miltenberger Kreistags. Schließlich gilt seit dem 16. März der bayernweit ausgerufene Katastrophenfall, ein bayernweit gültiges Veranstaltungsverbot und die hohen Anforderungen des Infektionsschutzes.
Angesichts der Corona-Pandemie und der daraus resultierenden Abstands- und Hygienemaßnahmen wich das Gremium in die Untermainhalle Elsenfeld aus. Dort, wo sonst Handball gespielt und Schulsport betrieben wird, vereidigte ich als Landrat 21 neue Kreisrätinnen und Kreisräte. Scherfs Vertreter wird künftig Bernd Schötterl von den Freien Wählern sein, weitere Stellvertreter sind Monika Wolf-Pleßmann (SPD) und Günther Oettinger (Neue Mitte).


Erfolgreiches Krisenmanagement im Landkreis Miltenberg



Da die konstituierende Sitzung laut Feststellung des Bayerischen Innenministeriums „unverzichtbar und unaufschiebbar“ ist, war diese im Gegensatz zum allgemein in Bayern gültigen Veranstaltungsverbot ausdrücklich erlaubt worden. Künftige Entscheidungen sollten aber, so zitierte ich aus dem Schreiben aus München, „möglichst weitgehend auf beschließende Ausschüsse übertragen werden.“ In meinen einführenden Worten gab ich Einblicke in die Struktur des Landratsamts, stellte die Führungskräfte vor und informierte über die Arbeit im Landratsamt während der Corona-Pandemie.
Dank hohen Einsatzes und der Nutzung aller personeller Ressourcen im Landratsamt haben wir alle Infektionsketten verfolgen können. Wir als Kreisverwaltungsbehörde tragen die Verantwortung für die Beobachtung der Neu-Infektionen und die Einhaltung der 30- beziehungsweise 50-Neuinfektionen-pro-100.000-Einwohner-Grenze. Parallel dazu verteilen wir das über den Katastrophenschutz erhaltene Schutzmaterial und sichere die Verfügbarkeit notwendigen Materials.  Dies ist nur dank des Einsatzes der beiden THW-Ortsgruppen und der Freiwilligen Feuerwehren mit der Kreisbrandinspektion unter Leitung von Kreisbrandrat Meinrad Lebold möglich. Daneben gilt allen Beteiligten in der Klinik, den Arztpraxen, den Apotheken und der Pflege ein großes Dankeschön. Dem BRK-Kreisverband gilt der Dank für Aufbau und Betrieb der Sars-CoV-2-Teststrecke an der Helios-Klinik in Miltenberg. Der Kreistag habe den überörtlichen Katastrophenschutz in der Vergangenheit stets ernst genommen, so empfahl ich, die Unterstützung dieses Engagements nicht voreilig geführten Initiativen gutgemeinten Sparens zu opfern.


Schwere Folgen des Corona-Virus



Das Virus hinterlässt viele Spuren bei den Menschen sowie in der Wirtschaft. Die Arbeitslosenquote habe sich im April von 2,6 (2019) auf 3,6 Prozent erhöht, die Zahl der offenen Stellen sei von 1117 (April 2019) auf 800 gesunken.  Erste Einbrüche bei der Gewerbesteuer zeigen, dass auch die Wirtschaft vor langfristigen Schäden geschützt werden müsse. Die öffentliche Hand soll deshalb alles tun, um die regionale Wirtschaft zu stützen und zu stabilisieren. Der aktuelle Kreishaushalt steht unter anderem für die Fertigstellung der Generalsanierung von JBG Miltenberg und HSG Erlenbach, den Baubeginn der Zweifach-Sporthalle an der Realschule Obernburg, Kreisstraßensanierungen, das Photovoltaik-Programm des Landkreises, Investitionen in das Radwegenetz, Digitalisierung der Schulen und die Planung des Schulbauprogramms III. Ich danke ausdrücklich dem „alten“ Kreistag, dass er mit dem Haushalt 2020 noch die Weichen richtig gestellt habe, davon profitieren wir nun. Der Kreistag werde einiges zu tun haben in den Bereichen Klimaschutz, Naturschutz und Artenschutz, Mobilität, Bildung, Digitalisierung und Gesundheitsversorgung – die Frage der Finanzierung wird durch die Pandemie nicht einfacher.



Nach der Vereidigung von 21 neu gewählten Kreistagsmitgliedern (einer war entschuldigt) wurde die Stärke der Fraktionen festgestellt. Da Kreisrat Hans Jürgen Fahn von den Freien Wählern zur ÖDP/BLU gewechselt war, ergibt sich folgendes Verhältnis: CSU 20 Sitze, Grüne und Freie Wähler je zehn Sitze, SPD sieben Sitze, Neue Mitte sechs Sitze, OÖD und FDP je drei Sitze, Linke ein Sitz.


Wahl der Stellvertretung des Landrats

Das Führungs-Quartett: Stellvertreter Landrat Bernd Schötterl, 2. weiterer stellvertretender Landrat Günther Oettinger, Landrat Jens Marco Scherf und die 1. weitere stellvertretende Landrätin Monika Wolf-Plessmann.


Statt wie bisher Thomas Zöller (Freie Wähler) ist Bernd Schötterl (Freie Wähler) neuer Stellvertreter des Landrats. In der geheimen Wahl setzte er sich mit 36 zu 22 Stimmen gegen Karin Passow (CSU) durch. Zuvor hatten Thomas Zöller und Dr. Armin Bohnhoff (CSU) die Vorzüge von Schötterl und Passow hervorgehoben, die beide für den Posten des Stellvertreters qualifizieren. Karin Passow war von 2014 bis 2020 weitere stellvertretende Landrätin, Bernd Schötterl u.a. Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses - zwei absolut gute Bewerbungen und ein gutes Zeichen für den Kreistag!
Bei der Wahl der weiteren Stellvertreter des Landrats sprach sich der Kreistag mehrheitlich für das Duo Monika Wolf-Pleßmann (SPD), welche seit 2019 weitere stellvertretende Landrätin ist, und den langjährigen Vorsitzenden des Bayerischen Gemeindetags, Günther Oettinger (Neue Mitte) aus. Die von der CSU nominierte Karin Passow bekam nicht das notwendige Vertrauen bei der Abstimmung durch den Kreistag.


Ebenso erließ der Kreistag seine Geschäftsordnung. Kommunaljurist Oliver Feil erläuterte einige Änderungen, über die einzeln abgestimmt wurde. So wird künftig das Themenfeld Energie dem Ausschuss für Bau und Verkehr zugeschlagen. Der Antrag von Matthias Ullmer (Neue Mitte), es beim alten Ausschuss für Energie, Natur- und Umweltschutz zu belassen, wurde mehrheitlich abgelehnt. Der Landrat begründete die Vorgehensweise unter andere mit der Tatsache, dass alle Energiethemen im Landratsamt im Kreisbauamt angesiedelt sind und somit in einem neuen Ausschuss „Energie, Bau und Verkehr“ effizienter bearbeitet werden könnten. Weiterhin kann der Kreistag im Pandemiefall Befugnisse auf Ausschüsse, Verwaltung oder Landrat übertragen, soweit Befugnisse nicht gesetzlich dem Kreistag vorbehalten sind. Dies geht auf eine Empfehlung des Innenministeriums zurück.  Da es laut Dr. Armin Bohnhoff (CSU) möglich ist, den Kreistag auch in Pandemiezeiten tagen zu lassen, beantragte er, diese Möglichkeit zu nutzen. Sein Antrag wurde aber mehrheitlich abgelehnt, Landrat Scherf verwies auf den Infektionsschutz, der auch in den kommenden Monaten solche Sitzungen erschweren oder verhindern kann.


Künftig sollen die Ausschüsse zudem wieder mit zwölf Sitzen statt bisher 14 ausgestattet sein, da die Stärkeverhältnisse der Fraktionen im Zwölfergremium – wie auch im 14er-Gremium – korrekt abgebildet sind. Der Antrag von Dr. Bohnhoff, die Sitzzahl bei 14 zu belassen, da sich nichts geändert habe, wurde vom Gremium mehrheitlich abgelehnt. Die komplette Geschäftsordnung, die unter anderem auch eine Anpassung der Wertgrenzen für Landrat, Kreistag und Ausschüsse vorsieht, wurde bei drei Gegenstimmen erlassen.


Einstimmig sagte der Kreistag Ja zum Erlass der Satzung zur Regelung der Entschädigung ehrenamtlich tätiger Kreisräte und sonstiger ehrenamtlich tätiger Bürger. Die Satzung orientiert sich an der Fassung der letzten Legislaturperiode.


Der Kreistag beschloss zudem gemäß der geänderten Geschäftsordnung, die Kreistagsangelegenheiten während der Pandemie auf seine jeweils zur Vorberatung zuständigen Ausschüsse zu übertragen. Die Ausschüsse sind beschließend tätig und keinerlei Beschränkungen durch Wertgrenzen unterworfen. Nicht betroffen ist etwa der Haushalt, der laut Gesetz dem Kreistag vorbehalten ist. Der Kreistag kann die Übertragung jederzeit durch einfachen Beschluss wieder aufheben.

CSU will Ausgaben und Investitionen "on Hold" stellen



Dem Antrag der CSU auf Vorlage einer Bestandsaufnahme der Gemeinde- und Kreisfinanzen und aller Einnahmen und Ausgaben bis Ende Mai erteilte ich eine Absage. Die Zahlen zu den Gemeindefinanzen seien laut zuständigem Staatsministerium frühestens nach Mitte des Jahres belastbar, eine Aufarbeitung aller Ausgaben inklusive Prüfung einer Verschiebung, ist weder bis zur Sitzung möglich noch sei es der konstituierenden Sitzung möglich, diese zu bewerten.
Das komme einer Wiederholung der Haushaltsberatung gleich. Die aktuelle Haushaltssituation werde aber demnächst Thema in einer Sitzung sein, denn der Kreistag begleitet den Haushaltsvollzug. Umgesetzt wird er jedoch verantwortungsvoll durch die Verwaltung: Kämmerei und Controlling haben jeden Tag Einnahmen und Ausgaben im Blick und sorgen für eine ordnungsgemäße Abwicklung des Haushalts.

Ausgaben-Stopp wäre der Irrsinn für die heimische Wirtschaft!



Entschieden wende ich mich zudem gegen die CSU-Forderung, der Landkreis möge alle nicht vertraglich geregelten Zahlungen einstellen. Sollte man dieser Forderung nachkommen, käme das hinsichtlich des Investitionsprogramms einer „haushaltspolitischen Vollbremsung“ gleich mit unabsehbaren Schäden für die regionale Wirtschaft. Vergeblich versuchte ich mit Verweis auf Empfehlungen des Bayerischen Innenministers die CSU von der Kurzsichtigkeit ihres Antrags zu überzeugen.
Den größten Spielraum hat der Kreistag jedoch bei den freiwilligen Leistungen, weshalb ich als Landrat die Umsetzung dieser bis zur Beratung und Beschlussfassung zum Antrag in einer regulären Sitzung aussetzen werde. Dazu gehört neben der kommunalen Schwimmfähigkeitsförderung oder der kommunalen Radwegeförderung auf die Eigentumsübertragung des KEG von der Stadt Amorbach zum Landkreis Miltenberg. Das fand dann Herr Bohnhoff wiederum unfair, aber spätestens zu diesem Zeitpunkt habe ich das Ansinnen nicht mehr verstanden und auf die nächste reguläre Sitzung verwiesen.

Frage des politischen Stils


Die CSU-Kreistagsfraktion hatte vor der konstituierenden Sitzung einen neuen politischen Stil angekündigt. Wenn dies eine Abkehr beispielsweise vom destruktiven Verhalten der CSU bei der Haushaltsverabschiedung im Februar 2020 ist, würde ich das begrüßen. Damals hat die CSU einen Kompromiss zur Kreisumlage abgelehnt und dann auch noch gegen die Übernahme der Rest-Schulden des städtischen Amorbacher Gymnasiums gestimmt. Das sah so aus: In der Sache sind wir dafür, aber wenn es um das Bezahlen geht, wollen wir uns die Finger nicht schmutzig machen. In meinen Augen kein guter Stil!


Politischer Stil oder nur Posten-Gerangel?


Also, gut, dass es einen neuen Stil geben soll? Ich habe in meiner Eröffnungsrede darauf verwiesen, dass ein Stil sich nicht durch Ankündigungen, sondern durch echtes Tun entwickelt. Verbunden war die Ankündigung eines neuen Stils durch die CSU mit der Erwartung, den Posten des Stellvertretenden Landrat*in zu besetzen.
Wenn es nur um diesen Posten geht, dann ist es meines Erachtens weniger eine Stil-, als eine Postenfrage. Denn hier gilt für mich: Die Stellvertretung ist eine Frage des Vertrauens, weshalb der Kreistag mehrheitlich entschieden hat, die Stellvertretung mit einer Persönlichkeit aus Reihen der Fraktionen zu vergeben, auf die ich mich bei Sachentscheidungen in den vergangenen sechs Jahren gut verlassen konnte.

Der Stil zeigt sich im täglichen Tun, das Vertrauen wächst behutsam mit der Zeit!


Bezüglich des Stils hat bereits der "alte" Kreistag bewiesen, dass er bei vielen Fragen sachorientiert und nicht parteipolitisch agiert. Das ist gut so - nun kommt es darauf an, dass wir auch im "neuen" Kreistag diesen Stil pflegen; im praktischen Tun, nicht im taktischen Ankündigen!



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