Sonntag, 3. Juli 2022

Der Feldgeschworenenjahrtag 2022 in Kleinheubach - über das fränkische Feldgeschworenenwesen


Liebe Bürgerinnen und Bürger,

das fränkische Feldgeschworenenwesen ist eine der ältesten fränkischen Traditionen überhaupt und geht als Teil der kommunalen Selbstverwaltung bis auf das 11. Jahrhundert zurück. Gerade angesichts der Grenzverletzungen in Europa im Jahr 2022 macht es Sinn, genauer auf die Arbeit der ehrenamtlich tätigen Feldgeschworenen zu blicken und über den Sinn dessen nachzudenken.

Hierfür habe ich Ihnen meine Festrede vom Jahrtag der Feldgeschworenen vom 3. Juli 2022 abgedruckt:

Anrede!

Als Ihr Landrat darf ich Sie herzlich und endlich wieder zu diesem ungewöhnlichen Feldgeschworenen-Jahrtag des Altlandkreises Miltenberg begrüßen. Ihre Einladung zu dem traditionellen Festtag hierher nach Kleinheubach habe ich wieder sehr gerne angenommen.

Es ist eine ehrenvolle Aufgabe für mich, die so langen aufgeschobenen und nun endlich wieder möglichen Ehrungen und Vereidigungen der Feldgeschworenen für die Städte und Gemeinden des Altlandkreises Miltenberg vorzunehmen. Sehr gerne überbringe ich Ihnen herzliche Grüße von vielen geladenen Ehrengästen aus dem Bundestag und aus dem Landtag. Sie sind heute alle leider wegen anderer Termine verhindert, vor allem wegen dem Tag der Franken in Aschaffenburg. Aber der Ehrentag der Schutzheiligen Frankens ist auch ein guter Tag, um gemeinsam den Feldgeschworenentag und damit eine der ältesten fränkischen Traditionen zu feiern.

Sie alle haben wie sicher auch ich in besonderer Weise in den vergangenen Monaten gebangt – können wir dieses Jahr endlich den Feldgeschworenentag durchführen, ist es möglich und ist es verantwortbar. Ja, es ist verantwortbar und es ist möglich aufgrund der momentanen Entwicklung der Pandemie mit in der Regel milden Verläufen und einer hohen Impfquote.

Sicher ist es Ihnen nicht verborgen geblieben, dass nun auch ich persönlich in den vergangenen Tagen bangen musste: Werde ich heute hier bei Ihnen sein können nach meiner Corona-Infektion in der vorletzten Woche. Ich war sehr erleichtert, gerade auch wegen unseres Jahrtags, dass bereits vergangenes Wochenende meine Erkältungssymptome auf dem Rückzug waren und meine Schnelltests seit Anfang dieser Woche negativ sind. Trotz allem habe ich in den vergangenen Tagen noch „langsam“ gemacht und alle öffentlichen Termine gemieden – zum einen, um den heutigen Tag nicht zu gefährden, aber auch aus der Einsicht, dass auch bei milden Verläufen einer Corona-Infektion in den ersten Wochen danach es wichtig ist, nicht gleich wieder innerhalb kurzer Zeit dem Körper 100% Belastung zuzumuten.

Aus diesem Umstand heraus bin ich wirklich sehr glücklich, Sie alle heute in diesem wunderbaren Rahmen begrüßen und diesen Tag mit Ihnen verbringen zu dürfen. Und einen ganz besonderen Ehrengast haben wir auch in unseren Reihen. Bitte begrüßen Sie mit mir unseren frischgewählten Kreisobmann des Bauernverbandes, Herrn Jochen Herberich. Der Bauernverband ist stets ein wichtiges Organ im gesellschaftlichen Leben und im Miteinander unseres Landkreises und seine Ziele sind mit den Tätigkeiten des Feldgeschworenenwesens bei Vermessungen und Abmarkungen eng verwoben. Lieber Herr Herberich, von uns allen und auch von mir persönlich Glückwunsch zum Vertrauen, das Sie mit der Wahl ausgesprochen haben, und Dank, dass Sie dieses Ehrenamt und die besondere Verantwortung übernommen haben. Das Feldgeschworenenwesen, das Landratsamt mit der Unteren Naturschutzbehörde mit Frau Groll und ihrem Team sowie ich persönlich freuen uns auf die enge und gute Zusammenarbeit.

Der feierliche Gottesdienst und der festlich geschmückte Hofgartensaal dokumentieren, dass es der Feldgeschworenenvereinigung gelungen ist, mit dem Markt Kleinheubach einen würdigen Gastgeber für die hohe Tradition des gemeinsamen Feldgeschworenen-Jahrtages zu finden. Vielen Dank an Pfarrer Geißlinger und die Gottesdienstbeauftragte Frau Lutz für den wirklich zum Nachdenken anregenden Gottesdienst zwischen den Polen der grenzenlosen Liebe Gottes auf der einen Seite und der Begrenztheit der menschlichen Existenz und des Menschen überhaupt. Eine menschliche Existenz wie auch das Miteinander sind nur dank der Grenzen und des Respekts, zum Beispiel vor den Grenzen des anderen, möglich.


 


Die Feldgeschworenen-Kreisvereinigung Miltenberg mit ihrem Kreisobmann Eberhard Ulrich, dem Ortsobmann Sven Fertig und dem bewährten Vorstandsteam planten und organisierten mit tatkräftiger Unterstützung der Gemeinde Kleinheubach, Bürgermeister Thomas Münig sowie Kirche und Vereine diesen ungewöhnlichen Jahrtag. Ihnen allen gilt mein besonderer Dank, hierunter den Musikanten Kleinheubach und dem Team der Freiwilligen Feuerwehr ein besonderer Dank.

Über die Kreisvereinigung habe ich erfahren, dass Eberhard Ulrich angekündigt hat, bei der heute Nachmittag anschließenden Versammlung mit Wahlen nach vielen verdienstvollen Jahren sein Amt als Kreisobmann zur Verfügung zu stellen. Es ist anerkennenswert, wenn er rechtzeitig auf eine Kontinuität und Verjüngung an so einer verantwortungsvollen Position achtet. Herr Ullrich hat sich mit seiner besonnenen Art, seiner positiven Ausstrahlung und seinem aufwendigen Engagement viel Respekt und Anerkennung in diesem Amt erworben. Ich achte seine Entscheidung mit größtem Respekt und danke ihm von Seiten des Landkreises für seinen großen Einsatz und die großartige und vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Lieber Eberhard, die Zusammenarbeit mit dir hat mir immer Freude gemacht. Die Anerkennung und Wertschätzung des hohen bürgerschaftlichen Engagements ist mir extrem wichtig, deshalb freue ich mich sehr, dass wir heute verdiente Feldgeschworene auszeichnen dürfen!

Ehrungen

Der Teil der „Ehrungen“ ist mir von besonderer Bedeutung: Für Ihre pflichtbewusste, verdienstvolle Arbeit für die Allgemeinheit bedanke ich mich persönlich bei Ihnen, meine Herren Feldgeschworenen, ganz herzlich. Das bürgerschaftliche Engagement in Rahmen eines Ehrenamtes ist eines der Fundamente unserer freiheitlichen Demokratie. Dies gilt für jede:n Bürger:in, die sich für das Gemeinwohl engagiert. Dies ist der Wesenskern und ein unerlässliches Fundament, dass Menschen sich selbstlos entsprechend ihrer Interessen, Fähigkeiten und Leidenschaften für das Gemeinwohl einbringen. Damit stärken Sie insgesamt unsere Freiheit!

Die Feldgeschworenen leisten aufgrund des Wesens ihrer Tätigkeit auch heute noch in vielen Fällen eine wichtige Vermittlung bei Grenzstreitigkeiten und nehmen Aufgaben bei der Abmarkung von Grundstücken wahr – dies möchte ich ausdrücklich würdigen und wertschätzen! Über diese unmittelbare Wirkung Ihres großen Engagements für das älteste Ehrenamt in Franken leisten Sie überdies einen wichtigen Beitrag für unsere freiheitliche Demokratie.

Gerade in diesem Jahr 2022, welches von einem nicht mehr für möglich gehaltenen Angriffskrieg eines der Alliierten des Zweiten Weltkriegs – Russland im Verbund mit Belarus, der angegriffenen Ukraine, den bedrohten baltischen Staaten und Georgien, einer der Staaten, welcher eigentlich in den Geschichtsbüchern mit für den Beginn der längsten Periode von Frieden in Europa stand, geprägt ist, wird uns die Bedeutung von Frieden und Freiheit wieder bewusst! Beziehungsweise spüren und erleben wir besonders die Gefährdung unseres in den vergangenen Jahrzehnten zur Gewissheit gewordenen Lebens in Frieden und Freiheit. Dass wir nun in Europa und auch in der ganzen Welt darum bangen und kämpfen müssen, dass Grenzen von Nationalstaaten und damit der Wille eines Volkes wie das der Ukraine geachtet wird, seine Gesellschaft nach den Regeln der Freiheit und Demokratie zu gestalten, schockiert uns alle – wir müssen um diesen Wertekonsens ringen, ja gemeinsam kämpfen. Der Angriff auf die Ukraine ist nicht nur ein Angriff auf dieses Land, sondern, da es sich gegen ein Land auf dem Weg von Freiheit und Demokratie richtet, auch ein Angriff auf uns alle, die wir in Freiheit und Demokratie leben.

Umso wichtiger, werte Bürgerinnen und Bürger, liebe Feldgeschworene, ist es, dass wir uns nicht nur des Wertes von Frieden und Freiheit bewusst sind, sondern dass wir dies auch aktiv leben. Deshalb, liebe Feldgeschworene, sind Sie Vorbilder und Aktive für Frieden und Freiheit.

Deshalb gilt nicht nur mein besonderes persönliches Dankeschön, sondern der Dank des Staatswesens, Ihnen, werte Orts-Obleuten aus den Gemeinden und Ortsteile. Der ganz besondere Dank und die besondere Aufmerksamkeit gilt Ihnen, welche dieses Ehrenamt nun schon seit 25 sowie 40 und sogar tatsächlich 50 Jahren bekleiden.

Sie alle tragen dazu bei, dass die Grundlagen der freiheitlichen Gesellschaft, das Eigentum, das Recht und die Ordnung unseres Miteinanders geschützt werden und in den Gemeinden und unserem Landkreis ein angenehmes Zusammenleben ermöglicht wird. Ihr langes, unermüdliches Engagement verdient meinen vollen Respekt und den der Gesellschaft.

Ich darf Ihnen nun die Ehrenurkunde des bayerischen Staatsministers für Heimat und Finanzen, Herrn Albert Füracker, für langjährige Zugehörigkeit zu den Feldgeschworenen mit meinem persönlichen Dank und den besten Wünschen für die kommenden Jahre aushändigen.

Dafür werde ich die zu Ehrenden nun getrennt nach den Ehrungsjahren 2021 und 2022 dann zu mir nach vorne bitten:

Vereidigungen

Das Herzstück des heutigen Jahrtags ist die Vereidigung neuer Feldgeschworener. In Anbetracht der großen Bedeutung Ihres Ehrenamtes für unser Miteinander sind wir dankbar, dass 13 Persönlichkeiten aus unseren Gemeinden sich bereit erklärt haben, diese Verantwortung zu übernehmen,

Diese anerkennungswerte Tätigkeit werden künftig dreizehn neue Feldgeschworenen ausüben, die im Anschluss vereidigt werden. Sie werden durch ihre Arbeit die verdiente Achtung vor dem Feldgeschworenenwesen aufrechterhalten.

Machen wir uns die Bedeutung dieses fränkischen Ehrenamtes bewusst, welches auf das 11. & 12. Jahrhundert zurückgeht. In einer Zeit der absolutistischen Herrschaft konnten die Herrschenden schon nicht auf die Mitwirkung Sachkundiger vor Ort verzichten und schufen mit den Feldgeschworenen einen heute noch unverzichtbaren Bestandteil kommunaler Selbstverwaltung gerade in den fränkischen Landstrichen.

Und gerade aufgrund dieser Einsicht in die Hilfsbedürftigkeit staatlicher Organisation durch örtliche Mithilfe sehe ich ein wichtiges Fundament unseres funktionierenden Gemeinwesens: sowohl die kommunale Selbstverwaltung als auch die Mitwirkung durch engagierte Bürgerinnen und Bürgern sichern das Funktionieren des Staates und begründen gerade den Unterschied zu autoritären Staatsmodellen, wie dies der aggressive Autokrat Putin vertritt. Wir in Bayern, in Deutschland und in den Staaten der Europäischen Union leben hingegen ein Staatsverständnis vor, dass auf der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger aufbaut und gerade in der Einbindung freier Menschen und deren Engagement ihren Erfolg begründet sieht.

Aus diesem Umstand heraus ergibt sich meine besondere Achtung vor dem bürgerschaftlichen Engagement insgesamt und dem Feldgeschworenenwesen im Besonderen.

Dank an diesen Schnappschuss von Bürgermeister Robin Haseler:


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